1x Pfalz; 1x Schwarz; 2x Wald. Die Jagd nach den schönsten Fotospots geht in eine neue Runde. Für das ZIELFOTO-Magazin »Fotografieren in Pfälzerwald und Schwarzwald« waren Stephan Wiesner und sein Team im Süden Deutschlands unterwegs. Als ehemaliges Redaktionsmitglied habe ich mir die aktuelle Ausgabe ganz genau angesehen und einen Review der besonderen Art geschrieben.
Disclaimer
Das ZIELFOTO-Magazin wurde mir kostenfrei zur Verfügung gestellt. Und ja, ich bin befangen! Zwischen Begeisterung und positiver Traurigkeit. Schließlich habe ich das ZIELFOTO-Magazin im Jahr 2017 mit ins Leben gerufen. Vor Team Wiesner, in Team Wiesner. Vielleicht erinnerst du dich noch? Die ersten drei Ausgaben habe ich aktiv mitgestaltet: Texte, Bilder, Karten. Insofern ist mein Review hier nicht vollkommen objektiv. Aber sicher interessant!
Wie ist das also, wenn man zwei Jahre später »ins eigene«, fremde Magazin schaut? Wie viel ist übrig, vom Zauber der ersten Stunde? Klären wir gleich […]
Worum geht es hier überhaupt?
Auf die Gefahr hin, dass du nicht weißt wovon ich spreche: ZIELFOTO ist der Name eines Foto-Magazins, welches zweimal jährlich von der Wiesner Medien GmbH in Eigenregie entwickelt wird. Gedruckt. Auf Papier. So richtig echt. Made in Germany. Kein Verlag. Dafür viel Community. Ein Mix aus Gastbeiträgen und Wiesnerei. Eine Erfolgsgeschichte.
ZIELFOTO: Die GEZ der Wiesner Medien GmbH
Dass man von der reinen Fotografie kaum noch leben kann, ist kein Geheimnis. Vor allem in der Landschaftsfotografie. Dennoch produziert Stephan Wiesner seit Jahren hochwertigen Content, mit hunderten von Videos auf YouTube. Kostenlos! Mittlerweile sogar Hauptberuflich, mit Angestellten. Wie funktioniert das? Unter anderem durch die Einnahmen aus dem ZIELFOTO-Magazin. Fairplay durch die Community.
Review: »Fotografieren in Pfälzerwald und Schwarzwald«
Erster Eindruck
Das Coverfoto ist eine echte Ansage! Damit verbinde ich weder Pfälzerwald noch Schwarzwald. Eher meinen Roadtrip durch den Westen der USA. Genau dass war wohl auch die Intention dahinter; zu zeigen wie aufregend Deutschland sein kann. Guter Aufmacher.
Und Eindruck macht auch das Gesamtformat. Aus der Zeitschrift ist fast ein Buch geworden! Dicker als meine Diplomarbeit. Liegt es am Papier? Vielleicht. Doch auch die Seitenzahl ist mit 138 deutlich gestiegen.
Ich klappe das Magazin auf: Typisch ZIELFOTO! Aus der Schmiede von Susanne Geminn, die für das Design zuständig ist. Das Layout hat den Stil der ersten Stunde erhalten. Sehr gut.
Doch bevor ich das Editorial lese, zähle ich erstmal die Nikon-Objekte in der Werbeanzeige durch. Dreiundzwanzig. So etwa dürfte auch das Durchschnittsalter der Instagramer sein, um die es im Leitartikel geht. Hier thematisiert Stephan den schmalen Grat zwischen Social-Media-Hype und Naturzerstörung. Ein wichtiges Thema. Ich halte inne und schließe die Augen, wie Stephan in der Werbeanzeige vom neuen Cosyspeed-Rucksack. »Entwickelt in Koop mit VAUDE«. Vergessen wir die »eration«.
Teil 1: Der Pfälzerwald
Jetzt geht es zur Sache: Die Fotospots in Pfälzerwald werden vorgestellt.
Kleine Randnotiz: Während wir uns in Ausgabe 2|2018 für die sprachlich umgängliche Form »IM Harz und Elbsandsteingebirge« entschieden haben, überwiegt in dieser Ausgabe die formale Vernunft: »IN Pfälzerwald und Schwarzwald«. Etwas holprig, aber kommen wir lieber zum Review.
Los gehts mit Burg Drachenfels, wo Stephan die französischen Touristen mit seiner deutschen Aussprache verscheucht hat. Den Schlüsselfels fotografiert er zum Sonnenaufgang, auch wenn der blaue Himmel nicht der Schlüssel zum Erfolg ist. Um so eindrucksvoller dafür die »Utah-Felsen der Pfalz« auf Seite 28 (siehe Cover).
Deutschland hat wirklich wunderbar skurrile Landschaften, wie den Teufelstisch, der als beliebtes Ziel für die Nachtfotografie beschrieben wird. Doch statt Sternen sehe ich hier nur Rauschen in den Schatten. Von der Nikon Z6 hätte ich mehr erwartet.
Auf den nachfolgenden Seiten werden Tipps zur Weitwinkelfotografie gegeben. Panoramen. Stürzende Linien. Einsteigerkram […] Doch bei der perspektivischen Verzerrung von gedruckten Bildern werde ich hellhörig. Ein Passepartout ist am unteren Rand immer größer als oben? Muss ich gleich mal prüfen. Fehlanzeige. Bei meiner Foto-Wand sind alle Seiten im Passepartout identisch (okay, sind nur IKEA-Rahmen).
Im ZIELFOTO-Magazin geht es weiter mit der Vulkanburg. Ein Gastbeitrag von Ulla Lohmann. Sehr erfrischend, was nicht nur am Schnee auf den Fotos liegt. Gelernt habe ich: Burg Falkenstein gibt es nicht nur im Harz, sondern auch in der Pfalz. Der Glockenturm erinnert mich übrigens an den versunkenen Kirchturm im Reschensee in Südtirol.
Als Lokalmatadorin präsentiert Ulla Lohmann auch gleich noch den höchsten Berg der Pfalz. Den Donnersberg. Und auch Stephan hatte endlich Glück mit dem Wetter. Auf Seite 52 stellt er die Geiersteine vor; Im Nebelmeer!
Blättert man weiter, kommt der nächste Auftritt von Ulla Lohmann: »Klettern am Meeresboden«, mit ihrem Mann Basti in der Hauptrolle. Auch hier wieder; starker Titel, beeindruckende Fotos.
Doch auch Stephan lässt sich nicht lumpen. Nach dem Rehbergturm präsentiert er den Sprinzelfelsen als Instagram-Spot, auf einer sehr gelungenen Doppelseite.
Den Beitrag über den Weinanbau vom Winzer Rebholz überfliege ich nur. Eine Seite weiter finde ich mich dann in der Lüneburger Heide wieder? Nein. Es ist die Mehlinger Heide!
Dann geht es thematisch hoch hinaus. Im Beitrag »Weltraumschrott statt Lichtverschmutzung« werden die Schattenseiten vom Starlink-Projekt angesprochen. In der Tat ein Problem, was mich bei meinen Astrofotos auch enorm nervt. Wobei SpaceX ein Kunde aus meinem beruflichen Umfeld ist, also Augen zu und durch 😉
Teil 2: Der Schwarzwald
Wir wechseln in den Schwarzwald, der mit 41 Seiten etwas dünner daherkommt als der pfälzrige Wald (69 Seiten). Fotografisch legt die Region aber einen guten Auftakt hin. Schloss Lichtenstein ist ein echter Hingucker.
Danach beginnt die One-Man- oder besser gesagt One-Woman-Show: Anja Kallenbach mit Heimvorteil. Nahezu alle Schwarzwald-Beiträge kommen von ihr. Los gehts mit einem Panorama vom Feldberg im Nebel, mit Blick bis in die Alpen. Gigantisch. Anja »Lila-Nachthimmel-Kallenbach« präsentiert natürlich auch ihre Paradedisziplin: Die Astrofotografie, die offensichtlich auch im Schwarzwald gut funktioniert.
Die Texte von Anja wirken dabei wie »frischer Powder«, man spürt die Begeisterung in jedem Satz von ihr. Und dann kommen die Wasserfälle. Schwer auszusprechen sind sie. »Menzenschwander Wasserfall«. Ich lese es 3x laut: »Menschen wandern?«, »Menzen Wandern«, nein: »Schwander!«. Hoppla. Das treibt einen echt auf die Palme. Oder den Gipfel vom Röthekopf auf der Folgeseite.
Die eigentliche Wasserfall-Session wird aber von Sebastian Meinhold eröffnet; »Kameramann und Fotograf mit Bart und Moped« aus Team Wiesner. Vom Geroldsauer- und Triberger-Wasserfall präsentiert er sehr schöne Bilder. Dafür aber kaum Text.
Großartig auch die doppelseitenfüllende (schreibt man das zusammen?) Aufnahme vom Gertelbacher Wasserfall. Messerscharf, toller Kontrast, wunderschöne Komposition. Sebastian, der Wasserfall-König.
Ich blättere weiter, fühle mich aber mittlerweile wie auf Island, wo man den Wald vor lauter Wasserfällen nicht sieht. Burgbachwasserfall. Todtnauer Wasserfälle. Mittlerweile hat Anja Kallenbach die Texte wieder übernommen. Gut recherchiert, mit wirklich starken Aufnahmen. Glasklare Details, eine echte Freude fürs Auge.
Den Abschluss bilden die Städte am Hochrhein und die Tierparks im Schwarzwald. Ein erfrischender Kontrast, mit süßen Ferkeln und einem Luchs auf Seite 137.
ZIELFOTO KOMPAKT: Mehr als eine Beilage
Es ist ein Novum und für mich der heimliche Star der neuen Ausgabe. Neben dem ZIELFOTO-Magazin gibt es nun auch eine kompakte Beilage. Sie enthält die gleichen Fotospots, ergänzt diese aber mit Karten, die alle wesentlichen Points of Interest enthalten. Klein, handlich, zum Mitnehmen. Der Umschlag ist übrigens aus reißfestem Papier, was ich aber nicht überprüft habe. Das Motto lautet: »NICHT ausprobieren, glauben!«
Der Inhalt ist kompakt und genau dass, was man eigentlich braucht: Ein Beispielfoto, die EXIF-Daten und eine Wegbeschreibung mit Karte. Denn sind wir ehrlich: Wir wollen doch eigene Fotos machen und nicht nur in einem Hochglanzmagazin blättern.
Ein Teil der Erlöse aus dem ZIELFOTO-Magazin werden übrigens an das OpenStreetMap-Projekt gespendet, welches die Datenbasis bildet. Das freut mich als Geoinformatiker ganz besonders!
Fazit zum ZIELFOTO-Magazin
Es ist eine sehr gelungene, gewohnt »zielfotrige« Ausgabe, die uns die Region Pfälzerwald und Schwarzwald näher bringt. Das Magazin lebt besonders durch die vielen Gastbeiträge, die wertvolle Tipps geben. Von der Anreise, übers Parken, bis hin zu persönlichen Anekdoten. Ich will auf jeden Fall das Innere vom Münster in Bad Säckingen sehen!
Von der Ausrichtung schien mir der Fokus jedoch mehr auf der Pfalz zu liegen. Einige Passagen zum Schwarzwald, z.B. die Allerheiligen-Wasserfälle, wirkten wie Lückenfüller auf den letzten Seiten. Oder anders gesagt: die Ausgabe hätte auch den Titel »Pfälzerwald & Anja Kallenbach« tragen können.
Die Fotos im Magazin sind gewohnt hochwertig, wobei mich nicht alle vom Hocker gerissen haben. Speziell die seitenfüllenden Hochformat-Fotos weisen vereinzelt Schwächen in der Bildqualität auf (z.B. fehlende Schärfe auf S. 55; starkes Bildrauschen auf S. 37).
Was man den Fotos aber lassen muss: Sie scheinen authentisch zu sein. Denn nichts ist schlimmer als eine massive Bildmanipulation (vor allem gelebt auf Instagram), die einen vor Ort enttäuscht auf die Wirklichkeit blicken lässt, die man so gar nicht erwartet hätte, weil die »Vorlage« etwas vollkommen anderes suggeriert hat. Das Zitat von Stephan Wiesner auf Seite 54 trifft den Nagel auf den Kopf:
»Ich bin Fotograf und kein Photoshoper!«
ZIELFOTO KOMPAKT war eine echte Überraschung und zeigt, dass sich Stephan immer wieder etwas Neues einfallen lässt. Kleine Details, die für den Leser einen Mehrwert bieten. Wünschen würde ich mir eine noch konsequentere Umsetzung. Entweder alle Karten auch im Hauptmagazin, oder eben gar keine; statt nur vereinzelt (S. 23 eine OSM-Karte, dann lange Zeit nichts und auf S. 102 dann plötzlich eine Karten-Skizze). Gleiches gilt für die Referenzierung der Orte. Auf Seite 116 wird ein Google-Maps-Code platziert (46HG+F8). Coole neue Funktion. Auf Seite 133 erwarten mich aber harte GPS-Koordinaten im Fließtext. Soll ich die abtippen? Wie wäre es mit Barcodes? Zudem fehlen die Längenangaben bei fast allen Fotospots im Schwarzwald.
Meckern auf hohem Niveau. Sorry dafür, liebes ZIELFOTO-Team. Ihr habt einen sehr guten Job gemacht. Ich werde das Geschehen weiter als Leser beobachten und bin auf die Entwicklung sehr gespannt.
Bleibt abschließend nur noch die Frage zu klären: Wo hat Stephan den Strom für den Wasserkocher hergenommen, als er mit Sebastian und Mathias nachts unterm Sternenhimmel an den Geiersteinen saß?
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