Wintereinbruch in Halle (Saale). Zweistellige Minusgrade. Es hat so heftig geschneit wie seit Jahren nicht mehr. Ein idealer Anlass zum Fotografieren. Vor der Haustür. Einfach so. Ohne Stress. Ohne Organisation.
Alles Schnee von gestern? Fast. Er ist von letzter Woche. Nur der Blogbeitrag ist verspätet.
Zwei Wochen bin ich auf Arbeit gelaufen. Busse und Bahnen fuhren nur im Notbetrieb. Die Autos waren ‚metertief‘ im Schnee vergraben. Doch Not macht erfinderisch.
Zeit also die Kamera in die Hand zu nehmen und ein wenig zu fotografieren.
Halle (Saale) im Schnee
Es ist Montagabend. Eine angenehme Stille macht sich breit. Logisch, denn die Kinder liegen im Bett 🙂
Doch obwohl die Sonne längst untergegangen ist, wirkt der Himmel taghell. Neuschnee setzt ein.
»Jetzt oder nie!«
Lange Unterhose. Zwei Jacken. Doppelte Handschuhe. Mütze. Schal. Eingepackt wie auf einer Expedition zum Nordpol stehe ich vor meiner Haustür.
Und laufe einfach los […]
Der Wasserturm Nord
Nach zwei Minuten stehe ich am Wasserturm Nord. Eines der Wahrzeichen der Stadt. Denn Halle (Saale) hat sich rasant entwickelt. Damals. 1927. Nur die Trinkwasserversorgung nicht. Die Lösung war der Bau des Wasserturms, um das umliegende Viertel zu versorgen.
Und weil ich mich schon immer gefragt habe, wie sowas funktioniert, erkläre ich es kurz laienhaft. Aber gucken wir uns das Ding erstmal an. Damit dir nicht langweilig wird und du wegläufst, wie das Wasser im Abfluss.
Zurück zum Bildungsauftrag.
Ja, da oben im Turm war wirklich mal Wasser drin. Der Hochbehälter hat ein Fassungsvermögen von 1500 m³. Und das Prinzip ist leicht erklärt: Der Turm ist 54 Meter hoch. Deutlich höher als die umliegenden Wohnhäuser. Das sorgt dafür, dass die attraktive Frau im Dachgeschoss in die Dusche steigen kann und dort auch wirklich Wasser rauskommt. Der Höhenunterschied zum Wasserturm sorgt für den nötigen Wasserdruck. Ohne das man eine Pumpe braucht. Magisch!
Stellt sich nur die Frage: Wie kommt eigentlich das Wasser hoch in den Wasserturm? Das klären wir bei Bedarf in den Kommentaren. Schließlich sind wir zum Fotografieren hier!
Das Stadtbad Halle
Der Weg führt mich weiter zum über 100 Jahre alten Stadtbad, mit dem ich spontan zwei Sachen verbinde: Den harten Drill vom Leistungssport in meiner Jugend – und den Diebstahl meines nagelneuen Fahrrads. Mitten am Tag. Innerhalb von 5 Minuten. Ich grüße noch die netten Jungs am Haupteingang, die ich für Schwimmtrainer hielt. Dann fliegen die Funken. Dreistigkeit siegt. Die Jungs haben mit einer Flex mein „unknackbares“ Schloss zerfetzt. Eine Mitarbeiterin vom Stadtbad bemerkte es noch durchs Fenster. Aber keine Chance sie aufzuhalten. Auf und davon. Weg war das Rad.
Heute stehe ich wieder vorm Eingang. Und habe meine Kamera dabei.
Von meinem Fahrrad keine Spur. Alles was bleibt sind die Fußabdrücke im Schnee.
Der Blick durch die Rathausstraße
Weiter geht es Richtung Marktplatz, der nur wenige Minuten entfernt liegt. Der Blick durch die Rathausstraße ist ein Klassiker. Die Türme der Marktkirche. Sind sie nicht märchenhaft?
Das Zigarreneck
Ein paar Meter, entlang des Hanserings, findet man einige herrschaftliche Wohnhäuser der Gründerzeit. Das Eckhaus an der Leipziger Straße, erbaut ca. 1880, ist eines der Markantesten.
Der Marktplatz im Schnee
Auf dem Marktplatz herrscht Unruhe. Ein Schneeschieber – oder wie heißen die Dinger gleich? Schnee-Räumfahrzeuge? Schneepflug? Na du weißt was ich meine. Jedenfalls kreiselt das Ding laut um die Händel-Statue und nimmt mir den Zauber der Nacht.
Eine Langzeitbelichtung verschleiert das plumpe Orange des Schneeentfernungsräumfahrzeugdingens, dessen genaue Bezeichnung wir gern in den Kommentaren klären können.
Ich laufe weiter […]
Der Göbel-Brunnen auf dem Hallmarkt
Vorbei an der Kirche geht es zum dahinterliegenden Hallmarkt. Hier wurde 1999 der Göbel-Brunnen erbaut, ein interessantes Bauwerk. Und da es bereits 1 Uhr ist und mich die Müdigkeit in die Tasten drückt, zitiere ich einfach ein paar Sätze von der Webseite des Kulturfalters:
»Der Brunnen erhält seine charakteristische Form durch sein massives Wasserbecken aus Naturstein: Es hat die Grundform eines Quadrats, dessen Ecken durch Dreiviertelkreise ersetzt wurden. Vier Figurengruppen aus Bronze besetzen die Scheitel der Eckradien, vier weitere Einzelfiguren flankieren auf hohen Postamenten die Langseiten des Beckens.«
Puh. Spätestens jetzt bin ich wieder wach. Hast du verstanden was damit gemeint ist? Egal. Gucken wir uns lieber den Brunnen an:
Das Blau im Himmel ist natürlich nicht echt. Lediglich die Folge des Weißabgleichs. Aber was ich sagen möchte: Es ist spät. Ich muss ins Bett. Deshalb auf zum Endspurt.
Auf dem Heimweg laufe ich noch an ein paar historischen Gebäuden der Altstadt vorbei. Ein paar letzte Schnappschüsse folgen […]
Das Graseweghaus im Schnee
Es liegt leicht abseits vom Marktplatz: Das kleine Graseweghaus. Ein wunderschön restauriertes Fachwerkhaus:
Wir steigern das Tempo.
Ein Blick in die Große Ulrichstraße
Entlang der Großen Ulrichstraße, wo normalerweise die Straßenbahnen fahren und viel Betrieb ist, ist heute nichts. Nichts als Stille. Nur das Knirschen des Schnees unter meinen Füßen ist zu hören.
Und 10 Minuten später stehe ich wieder vor meiner Haustür. Nur ein Motiv fehlt, um den Kreis zu schließen. Zum Schnee. Zum Schlittenfahren. Denn genau das macht man in unserem Viertel traditionell auf dem Hasenberg, auf dem die Pauluskirche steht.
Die Pauluskirche im Schnee
Täglich vor der Nase. Oft fotografiert. Immer wieder schön zu sehen: Die Pauluskirche. Sie bildet das letzte Fotomotiv meines nächtlichen Fotowalks durch Halle (Saale). Zumindest für heute.
Fazit
Ich hoffe der kleine Einblick in meine Heimatstadt hat dir gefallen. Und vielleicht animiert es dich mal wieder selbst vor die Tür zu gehen und deine Stadt zu fotografieren.
Ich weiß, es fällt manchmal schwer sich zu motivieren. Nach dem Motto: Warum dort fotografieren, wo man sowieso täglich ist. Nichts daran ist neu. Nichts ist mehr besonders. Die Ferne ist es, die die Sehnsüchte weckt.
Aber warum eigentlich? Wozu der Stress? Mir tat es unheimlich gut mal nichts zu planen. Keine lange Anreise. Nicht nachdenken. Kein Gefühl ein Motiv zu verpassen. Und selbst wenn: Ich kann das Foto jeden Tag wiederholen. Es liegt nur wenige Minuten entfernt.
#coronakonform
5 Kommentare
Hallo Thomas,
wirklich! Ein super Beitrag! Die nächtliche Atmosphäre verstärkt den Bildeindruck kolossal. Ich wäre gerne mitgelaufen. Klasse Motive.
Gruß Volker
Hallo Volker,
freut mich dass du dabei warst und mitgelaufen bist 🙂
In der Nacht kann man nicht nur Blogbeiträge schreiben, auch Fotografieren kommt scheinbar gut an.
Gruß
Thomas
Eine malerische Stadtführung der besonderen Art – vielen Dank, lieber Thomas! Selbst ich als Hallenserin konnte dank deines Beitrags noch etwas aus unserer Stadtgeschichte dazulernen. 😊
Liebe Grüße, Franzi
Education unter Fotografen: Man lernt nie aus, liebe Franzi 🙂
Hallo Thomas,
ohhh man. Mit dem Artikel hast Du mich aber gekriegt. Erstmal Chapeau zu diesem gelungen Artikel mit unheimlichen tollen Bildern. Beim bestaunen deiner Bilder fühlte ich mich an meine Kindheit erinnert. Aufgewachsen im beschaulichen Nienburg Saale war Halle Anfang der 90er für mich die Großstadt. Ein toller Fotowalk, meine Bildfavoriten sind ganz Klar das Fachwerkhaus (Grandios umgesetzt), Der Wasserturm und Bild 1 (einfach schön)
Leider war ich bei dem Schnee nicht im Besitz einer Kamera, da ich meine Fuji XT2 gegen eine neue Fuji ausgewechselt habe.
Beste Grüße Andreas aus Seevetal