Wer sich für die Fotografie der Milchstraße interessiert, der kommt an den Bildern von Matt Aust (star-trails.de) nicht vorbei. Er prägt die Szene wie kein Zweiter. Eigentlich müsste es »Austrofotografie« heißen. Aber genug der warmen Worte. Zeit ihn persönlich zu treffen.
Letzten Sonntag war es ’so-weit‘, obwohl es ganz nah war: Um die Ecke – in meiner Heimatstadt Halle (Saale) – hat er ein Seminar zur Bildbearbeitung von Astrolandschaften gegeben. Ich war dabei und möchte heute ein paar Anekdoten vom Leder ziehen 🙂
Der Tag begann prächtig: Bis 02:30 Uhr an einem Blogbeitrag geschrieben und 4 Uhr das Bett neu bezogen, weil der Mageninhalt meiner Tochter auf meinem Kopfkissen gelandet ist. Pünktlich um 6 Uhr wurde ich dann von meinem Sohn geweckt, der sich mein Handy ausleihen wollte, um ein Video davon zu drehen, wie er mit dem Multitool einen Nagel aus einem Dachbalken in seinem Kinderzimmer zieht. Großartig!
Was das mit Astrofotografie zu tun hat? Nichts. Aber ohne Abschweifen würde es auch keine Sternschnuppen geben 😉
Zurück zum Seminar von Matt Aust, dass klassisch mit einer Vorstellungsrunde begonnen hat. Die sieben Teilnehmer berichten wer sie sind, was sie so treiben und schnell sind wir uns alle einig, dass wir Menschen eigentlich nicht ausstehen können. Auf Fotos, versteht sich 😉 Darum sind wir Landschaftsfotografen geworden. Ein Workshop geht aber immer. Es ist eine gute Gelegenheit mit Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen. Oder wie gut kannst du dich mit deiner Frau über Blende, ISO und Verschlusszeit unterhalten? :-p
Um meinen Heimvorteil auszuspielen, habe ich Anja und Steven mitgebracht, die seit Jahren Begleiter meiner Blogografie sind. Mit dabei war auch der Reise- und Landschaftsfotograf David Köster, der mir offensichtlich einige Schritte voraus ist. Aber Zeit für Neid habe ich an dieser Stelle nicht, denn auch Marcel war am Start, der gern Züge in freier Wildbahn mit bis zu 15 Aufsteckblitzen fotografiert. Er arbeitet bei den Harzer Schmalspurbahnen in Wernigerode und wenn ich ihn überreden kann, nachts »seine« Brockenbahn für mich zum Gipfel zu fahren, damit ich sie mit Milchstraße fotografieren kann, dann ist der Neid gewiss auf meiner Seite. Klappt das Marcel? :-p
Teil 1: Tipps zur Ausrüstung und Planung der Astrofotografie
Das Seminar startete mit Tipps zur Ausrüstung: Von Kameras und Objektiven, bis hin zum Zelt, dem Schlafsack und der Isomatte. Dann ging es an die Planung: für die Astrofotografie ist sie von besonderer Bedeutung. Denn obwohl die finalen Bilder gern in der Cloud landen, kann man mit Wolken bei der Milchstraße so gar nichts anfangen.
Matt verweist deshalb auf besonders nützliche Planungstools, mit sehr detaillierten Wetterprognosen (z.B. meteoblue.com) oder Webseiten zum Finden dunkler Orte wie darksitefinder.com.
Zur Planung der Milchstraße habe ich bisher die App PhotoPills verwendet. Du vielleicht auch. Aber Hand aufs Herz: Wie gut hast du die Funktionsweise vom integrierten »Planer« je verstanden? So geht’s mir auch :-p
Matt hatte hier einen wertvollen Tipp parat. Er nutzt das kostenfreie Tool Stellarium. Damit lässt sich der zeitliche Verlauf der Milchstraße dreidimensional darstellen. Man gibt einfach einen Ort an, wählt die Uhrzeit und sieht dann den Stand der Milchstraße am Horizont. Sogar kameraspezifische Aspekte wie die Brennweite werden berücksichtigt. So sieht man bereits vorab, wie viel man mit seinem Objektiv von der Milchstraße aufs Bild bekommt. Super cool!
Teil 2: Fotografieren – Bildaufbau und Perspektive
Weiter ging es mit dem fotografischen Teil. Matt verwendet (genau wie ich) am liebsten ein 20-mm-Objektiv, mit f/2.0 und einer Belichtungszeit von 15 Sekunden. Mit den ISO-Werten geht er schmerzlos auf 8.000. Ich zucke meist schon bei ISO 4.000 zusammen.
Was Bildaufbau und Perspektive angeht vertraut Matt auf Standards wie den Goldenen Schnitt. Er achtet stets auf einen spannenden Vordergrund: nur Milchstraße wäre ja auch langweilig. Gleichzeitig appelliert er an uns, dass wir hin und wieder die klassischen Regeln brechen sollen. Ich nehme ihn beim Wort und schmause genüsslich meinen Asia-Reis mit Hühnerfleisch, obwohl im Seminarraum laut Türschild Essen verboten ist :-p
Dass auch Matt noch kleine Fehler beim Fotografieren macht, beweist er uns mit einem Foto, wo sein Rucksack ungewollt im Vordergrund liegt. Mitten auf der Hauptachse. Nur dafür wurde vermutlich das Stempelwerkzeug in Photoshop erfunden 😉
Teil 3: Bildbearbeitung mit Lightroom und Photoshop
Und schon sind wir mitten bei der Bildbearbeitung: dem Schwerpunkt des Seminars. Matt startet mit der RAW-Entwicklung in Lightroom, die außer einem mutigen Hieb am Kontrastregler und dem kräftigen Zug am Tiefen/Lichter-Regler wenig aufregend ist. Bei ihm spielt sich alles in Photoshop ab. Und die Ergebnisse sind dramatisch, hier ein kleiner Spoiler (abfotografiert vom Beamer):
Bevor es aber so weit ist, zeigt uns Matt wie er ein Panorama zusammensetzt. Panoramen, by the way, sind für ihn ein fester Bestandteil des Workflows. Fast alle seine Bilder sind aus mehrreihigen Aufnahmen zusammengesetzt. Übrigens immer im Hochformat. Was mich wieder daran erinnert, dass ich unbedingt einen L-Winkel für meine Kamera bestellen muss. Oder wie machst du das, mit dem Kugelkopf am Stativ?
Matt setzt seine Panoramen übrigens nicht mit der integrierten Funktion von Lightroom oder Photoshop zusammen. Er verwendet PTGui und spricht es liebevoll PTGuy aus. Mit dem Produktnamen ist zwar nicht das Panorama Tool (PT) für »Kerle« gemeint, sondern das Graphical User Interface (GUI) aber: Details, Details, Details :-p
Fakt ist: Ich habe die Notwendigkeit von PTGui vollkommen unterschätzt. Das Tool ist unglaublich stark und kann viel viel mehr als Adobe’s Firlefanz. Ich werde mir PTGUI auf jeden Fall anschaffen! Danke Matt, dem Guy, der mit seinen Empfehlungen meinen Kontostand positiv reduziert.
Aber bleiben wir bei Photoshop. Matt startet immer mit einer selektiven Auswahl vom Himmel, um ihn separiert vom Vordergrund zu bearbeiten. Mit dem Zauberstab ist die Auswahl schnell getroffen und erstaunlich präzise. Ich probiere es gleich live am Rechner aus.
Mit Ebenen-Masken und diversen Korrekturen (Kontrast, Farbbalance, Farbton/Sättigung) wird nun versucht, die Details im galaktischen Zentrum maximal herauszukitzeln. Um das Gezeigte auch zuhause nachstellen zu können, hat Matt allen Teilnehmern ein sehr ausführliches Handout mitgegeben. Sogar hübsch gebunden: man merkt eben, dass er im Marketing arbeitet 😉
Eine persönliche Enttäuschung kann er mir aber nicht nehmen. Die Farbigkeit der Milchstraße bekomme ich mit meiner Ausrüstung leider nicht hin. Hier ist Matt eindeutig im Vorteil gegenüber uns normalsterblichen Landschaftsfotografen; denn er hat seiner Kamera einer Astromodifikation unterzogen. Ich zitiere an dieser Stelle seine Webseite:
[…] der Tiefpassfilter wurde entfernt, was zu einer auffällig besseren Bildschärfe führt. Der OWB („original white balance“)-Filter wurde entfernt. Der originale UV- und Infrarotfilter wurde durch einen dünneren Filter ersetzt. Dieser dünnere Filter lässt nur ultraviolettes und infrarotes Licht mit einer Wellenlänge ab 700 Nanometer zum Sensor durchdringen. Durch diese Eingriffe wird eine um 400% gesteigerte Empfindlichkeit des Kamera-Sensors im roten Spektrum erreicht. Für die Astrofotografie ist das wünschenswert weil Wasserstoff, das am häufigsten vertretene Element im Weltraum, vom Kamerasensor in rötlichen Farbtönen erfasst wird. Das sind die „roten Flecken“ die du in der Milchstraße auf meinen Fotos oft siehst.
Der Umbau kostet > 300 EUR und kommt für mich nicht in Frage, weil die Astrofotografie bei mir nur eine Begleiterscheinung ist. Und so muss ich weiter mit meinen farblosen RAW-Aufnahmen der Milchstraße leben, weiß aber jetzt zumindest wo die Ursache liegt.
Fazit
Es war ein interessantes Seminar, was ich weiterempfehlen kann. Matt ist ein nahbarer sympathischer Typ, der seine Leidenschaft für die Austrofotografie unverkennbar gefunden hat. Er hat ein offenes Ohr für alle Fragen und hat am Ende sogar Milchstraßen-Fotos der Teilnehmer bearbeitet. Dialog statt Frontalunterricht. Auch wenn es komplexe Probleme zu lösen galt :-p
Wenn du also Interesse an der Astrofotografie hast und dich weiterentwickeln möchtest, dann schau dir die Seminarangebote von Matt genauer an. Der nächste Kurs richtet sich an Anfänger und findet am 24.03.2019 in Halle (Saale) statt. Die Anreise ist dir zu weit? Dann ist vielleicht sein Onlineseminar eine Alternative, es wird sogar Live durchgeführt.
Was immer du machst, bedenke bitte: »Die Zukunft liegt in den Sternen.«
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