Die Teilung Deutschlands: ein düsteres Kapitel der Geschichte. Doch wie sah sie aus, die am besten gesicherte Grenze der Welt; mit Todesstreifen, Selbstschussanlagen und Minenfeldern? Klar: die Berliner Mauer kennt jeder. Doch was ist mit der rund 1400 km langen grünen Grenze, die von der Ostsee bis zum Vogtland reichte?
Im Harz ist noch ein Abschnitt der ehemaligen innerdeutschen Grenze erhalten geblieben. Entdeckt habe ich sie eher zufällig und möchte über meine Erlebnisse berichten.
Am Tag nach meiner Wanderung zum Brocken, fuhr ich die B242 von Braunlage Richtung Hasselfelde. Die Warme Bode trennt hier die Bundesländer Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Früher jedoch, verlief an dieser Stelle die innerdeutsche Grenze zwischen der DDR und BRD. Heute erinnert nur noch ein Straßenschild an den Verlauf des Antifaschistischen Schutzwalls.
Doch werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte:
Am 27.05.1952 wurde entlang der Grenze eine fünf Kilometer lange Schutz- und Sperrzone errichtet, deren Betreten nur noch mit Passierschein möglich war. Zeitgleich begann die gewaltsame Aussiedlung von unzuverlässigen Personen aus diesen Gebieten.
Davon betroffen war auch die Ortschaft Sorge im Harz, die etwa zwei Kilometer von der Grenze entfernt liegt.
Die Grenzlandschaft Sorge
Der Verein Grenzmuseum Sorge e.V. hat sich zur Aufgabe gemacht, nachfolgenden Generationen an die Teilung Deutschlands zu erinnern. Auf dem Ring der Erinnerung wurden Teile der ehemaligen Grenzanlagen erhalten, die heute frei besichtigt werden können.
Genau das habe ich getan. An einem Sonntag Morgen bin ich den Wegweisern zum Ring der Erinnerungen gefolgt. Plötzlich lag sie vor mir. Die Grenze. Ich war ganz allein und stand vor dem geöffneten, originalen Grenztor. Es war aufregend.
Hier hatte bis 1989 die hiesige Grenzkompanie 13 km der innerdeutschen Grenze zu sichern. Sie wurde über die Jahre stufenweise zu einer Festung ausgebaut.
Nach der Teilung des Harzes im Jahr 1945 wurde die Demarkationslinie zunächst durch farbig gekennzeichnete Pfähle und Markierungen an Bäumen ausgewiesen. Ab Mai 1952 entstand ein 10 Meter breiter Schutz- und Kontrollstreifen. 1961 kamen — parallel zum Bau der Berliner Mauer — Stacheldraht-, Licht- und Straßensperren, Beobachtungstürmen und ersten Minenfelder dazu. Ende 1967 wurden drei Meter hohe Zäune aus Streckmetallgittertafeln errichtet.
Die beiden parallelen Stacheldrähte am Zaun hatten jeweils eine Plus- und Minuspol. Sie lösten einen stillen Alarm aus, wenn sie zusammengedrückt oder durchtrennt wurden.
Der Stacheldraht glänzt auch heute noch. Er kam mir neu vor. War er aber nicht. Das verwendete Material war Nirosta-Stahl (rostfreier Stahl) der ironischer Weise aus der BRD stammte. Die Geschäfte mit der DDR wurden jedoch über Schweden abgewickelt.
Gewässersperren und Erdbunker
Um Flüsse und Bäche zu sichern wurden Gewässersperren eingerichtet; meist durch Brückenkonstruktionen mit beweglichen Metallgittern. Bei schmalen fließenden Gewässern wurden Betonröhren in den Wasserlauf gelegt, die ein durchtauchen verhindern sollten.
Ab Mitte der 60er Jahren wurden im Schutzstreifengebiet auch Erdbunker aus Betonfertigteilen eingesetzt. Einer davon wurde zu Demonstrationszwecken am Grenzzaun positioniert. Was fehlte war lediglich die eiserne Zugangstür. Die Erdbunker waren klein, ich konnte kaum aufrecht darin stehen.
Hat ein Flüchtling ungesehen die fünf Kilometer Sperrzone und den Grenzzaun überwunden, war er jedoch noch lange nicht im Westen. Die eigentliche Grenze war noch weitere 500 Meter entfernt und durch einen zweiten Grenzzaun gesichert.
Ich folgte dem ehemaligen Kolonnenweg, auf dem früher die Grenzer patrouilliert sind.
Der B-Turm
Bis Anfang der 60er Jahren waren diese Wachtürme aus Holz. Ab 1969 wurden Sie durch runde B-Türme aus Beton ersetzt. In den 70er Jahren wurden eckige B-Türme aus Betonfertigteilen auf festen Fundamenten errichtet. Sie hatten keinerlei Einrichtung. Auf dem Dach befand sich lediglich ein Scheinwerfer.
Dieser noch erhaltene B-Turm hat ein Fläche von 2 x 2 Metern und ist neun Meter hoch. Im Grenzabschnitt Sorge gab es vier dieser Türme. Rechts hinter dem B-Turm befand sich der zweite Grenzzaun. In Teilen ist er in der Grenzlandschaft Sorge erhalten geblieben.
Selbstschussanlagen und Minen
Nach 1971 wurden hier brutale Schutzmaßnahmen mit dem Einsatz von Selbstschussanlagen (SM-70) durchgeführt. Sie waren nur zur DDR-Seite ausgerichtet. Beim Berühren des Signalzauns wurde der elektrische Zünder der Selbstschussanlage ausgelöst. Anschließend wurden ca. 150 Bleiwürfel der Stärke 5 x 5 mm wie Schrot parallel zum Zaun geschleudert. Dies führte zu schweren Verletzungen und nicht selten zum sofortigen Tod.
An schwer einsehbaren oder verwinkelten Teilen der Grenze wurden zusätzlich Bodenminen eingesetzt. Sie wurden auch als Antipersonenminen bezeichnet und sollten DDR-Bürger auf den letzten Metern an der Flucht in die Freiheit hindern. Mehr als 1,3 Millionen solcher Minen wurden vergraben. Erst 1975 führte die Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki seitens der DDR zu einem Verzicht auf die mörderischen Minen- und Selbstschussanlagen. Das Grenzsicherungssystem entsprach nicht den dort völkerrechtlich fixierten Normen der Menschenrechte. Ab 1983 erfolgte der Abbau aller Minensperren.
Ein Gutachten des Thüringer Umweltministeriums machte jedoch klar, dass auch heute noch bis zu 33.000 Minen auf dem ehemaligen Sperrgebiet liegen könnten.Erschreckend. Doch hinter dem Zaun auf der Seite der BRD war ich in Sicherheit 🙂
Fazit zur Grenzlandschaft Sorge
Der Besuch der Grenzlandschaft Sorge war beeindruckend und erschreckend zugleich. Das Freilichtmuseum ist einmalig in Deutschland. Ich kann die Besichtigung jedem Empfehlen, der sich für die Geschichte des Landes interessiert. Hier bekommt man hautnah einen Eindruck davon vermittelt, wie die innerdeutsche Grenze aufgebaut war und wie perfide das Gesamtsystem war.
5 Kommentare
Ja. die gesamte DDR- Grenze war ein einziges Martyrium und noch viel schlimmer für alle Menschen. Doch wenn ich das hier lese, frage ich mich, wie und was hat dieser Autor hier recherchiert. Einen Artikel mit einer derartigen Aussage an nur einem einzigen Ort an der über 1000 km langen Grenze festzumachen ist sowas von übel. Der Besuch von anderen Gedenkstätten an der Grenze, die mit der halbherzigen Sache in Sorge nichts zu tunhaben , wäre ratsam gewesen. Dort wird viel besser dargestellt, wie menschenverachtend das Grenzsystem wirklich War.
Lieber Herr Haase,
danke für Ihre Anmerkung: Sie sind hier übrigens auf einem Blog für Fotografie gelandet, dessen Intention NICHT die gesamtheitliche Aufarbeitung der Grenzsicherungsanlagen im Kalten Krieg ist. Meine Recherchen beziehen sich auf die vom Grenzmuseum Sorge e.V. aufgestellten Informationstafeln (13 Stück), die ich alle aufmerksam gelesen und rezipiert habe. Da mich das Thema sehr interessiert, habe ich im Nachgang das Buch »Erlebnisse an der Grenze im Harz: ein Zollbeamter erinnert sich« von Rudolf Zietz gelesen.
Die DDR-Zeit habe ich (zum Glück) nur als kleines Kind erlebt, kenne vergleichend also nur die »idyllisch abgestellten« B-Türme an den Ostseestränden und in schwacher Erinnerung die Berliner Mauer – zu Zeiten, als mir gerade die ersten Milchzähne gewachsen sind.
Ich finde, die Grenzlandschaft in Sorge vermittelt einen guten Eindruck, wie die grüne Grenze gesichert war. Weder ist die Aufarbeitung des Vereins eine »halbherzige Sache«, noch finden sich in meinem Beitrag »derartige Aussage«, die »sowas von übel« sind. Und erst recht möchte ich auf meinem Blog keine Kommentare, die unter die Gürteltierlinie gehen.
Konstruktive Vorschläge zur Besichtigung weiterer DDR-Grenzsicherungsanlagen nehme ich dennoch gern entgegen.
Zitat:
Das verwendete Material war Nirosta-Stahl (rostfreier Stahl) der ironischer Weise aus der BRD stammte. Die Geschäfte mit der DDR wurden jedoch über Schweden abgewickelt.
Immer wieder interessant, was da so in dem WWW, auch in diversen Grenzmuseen an falschen Informationen kursiert.
Der Stacheldraht, das Material für den Grenzsignalzaun (ab dem GSZ 70ff) bzw. Grenzsperr- und Signalzaun war Chrom-Nickel-Stahl-Draht X5 CrNi 18.10. Hergestellt in der DDR.
Bis heute gibt es keine Nachweise oder belastbare Belege, auch nicht nach intensiven Forschungen durch Wissenschaftler die sich mit den Grenzsperranlagen, dass dieses Material oder der Streckmetall aus der Bundesrepublik (aucn nicht über Nebenwwege) geliefert wurde.
Hersteller für den Chrom-Nickel-Stahl-Draht X5 CrNi 18.10 war das VEB Drahtwerk Staßfurt, für den CrNi Bindedraht das VEB Edelstahlwerk 8. Mai Freital, ZB Edelstahlzieherei Lugan.
Zitat:
Die beiden parallelen Stacheldrähte am Zaun hatten jeweils eine Plus- und Minuspol. Sie lösten einen stillen Alarm aus, wenn sie zusammengedrückt oder durchtrennt wurden.
Man sollte schon klarer Darstellen was gemeint ist. An welchem Zaun? Grenzsignalzaun oder Stacheldrahtzaun?
Zitat:
Selbstschussanlagen und Minen
Nach 1971 wurden hier brutale Schutzmaßnahmen mit dem Einsatz von Selbstschussanlagen (SM-70) durchgeführt. Sie waren nur zur DDR-Seite ausgerichtet. Beim Berühren des Signalzauns wurde der elektrische Zünder der Selbstschussanlage ausgelöst. Anschließend wurden ca. 150 Bleiwürfel der Stärke 5 x 5 mm wie Schrot parallel zum Zaun geschleudert. Dies führte zu schweren Verletzungen und nicht selten zum sofortigen Tod.
Der GZI mit Selbstschussanlagen war kein Signalzaun. Es wurde ein Signal an die FÜSt gesteuert, dass aussagte, welches Feld der Sperranlage ausgelöst hatte.
Verschossen wurde eine kegelförmige Salve von 80 kubischen Metallsplittern je Mine.
Ein sofortiger Tod trat i.d R. nicht ein.
Bodenminen gab es seit 1961ff.
Zitat:
Ein Gutachten des Thüringer Umweltministeriums machte jedoch klar, dass auch heute noch bis zu 33.000 Minen auf dem ehemaligen Sperrgebiet liegen könnten.
Wenn da heute noch bis zu 33000 Bodenminen liegen müsste es immer weider zu Zwischenfällen, Auslösungen kommen.
100% Sicherheit wird es nie geben, aber das Gutachten lässt viele Zweifel zu.
Mit freundlichen Grüßen.
Ritter E.
Hallo Herr Ritter,
danke für die offensichtlich fundierten Anmerkungen zu meinem Text. Als Besucher verlässt man sich (leider) darauf, dass das, was einem vor Ort in solchen Grenzmuseen präsentiert wird, der Realität entsprochen hat. Kritisch hinterfragt habe ich es nicht, bzw. nicht in der Detailtiefe, die Sie hier vorlegen.
Chrom-Nickel-Stahl-Draht: Man lernt nie aus. Danke für die offene Diskussion und Klarstellung!
Gruß
Thomas Spangenberg
Sehr geehrter Herr Spangenberg.
Es wäre daher auch Sinnvoll, den von Ihnen erstellten Textbeitrag zu korrigieren bzw. zu ergänzen.
Mit freundlichen Grüßen.
Ritter E..