Endlich Urlaub. Der Wecker klingelt, es ist 5 Uhr. Mit dem Handylicht schleiche ich mich ins Bad. Hier steht mein gepackter Fotorucksack. Ich möchte den Sonnenaufgang fotografieren. Die Familie schläft. Ich bin auf dem Weg nach Porto Istana, einer kleinen Bucht in der Provinz Olbia-Tempio auf Sardinien. Ich verlasse das Hotel: 11 Grad, Nieselregen, dicke Wolken. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich wühle im Kofferraum des Mietwagens: »Wo steckt nur meine Regenjacke?« Gefunden, los gehts!
10 Minuten später betrete ich den Strand. Der Wind peitscht mir ins Gesicht und bringt eine Ladung Sand mit sich, genau in meine Augen. Ich drehe mich um und laufe mit dem Rücken zum Wind. Mein Ziel ist eine kleine Felsformation, die sich auf einer leichten Anhöhe mittig der Bucht befindet. Ich baue mein Stativ auf. Die Kamera gleitet in die Arca-Swiss-Platte. Ein herrliches Gefühl. Ich bin bereit: die Sonne leider nicht. Sie versteckt sich hinter dicken Regenwolken. Das Gürteltier ruft: »Ich habe dir doch gesagt; bleib im Bett liegen, den Sonnenaufgang kannst du vergessen«.
Ich beobachte die Wolken und sehe eine kleine Lücke, auf die sich die Sonne zubewegt. Für eine bessere Bild-Komposition steige ich mit dem Stativ ins Wasser. Es ist eisig, aber meine Mares Tauchfüßlinge wärmen mich (Affiliate-Link). Mit ihnen kann man problemlos für längere Zeit im kalten Wasser stehen, ohne zu frieren. Bei alten Männern wie mir ist sowas ein Thema 😉 Außerdem bieten sie erstklassigen Halt auf rutschigen Felsen und schützen vor spitzen Steinen. Absolute Kaufempfehlung (eine Nummer kleiner bestellen).
Zurück zum Thema. Ich stehe im Wasser, die Kamera ist im manuellen Modus. Um auf Nummer sicher zu gehen, nutze ich die Bracketing-Funktion meiner Kamera. In der Nachbearbeitung kann ich später bei Bedarf aus drei Belichtungen ein HDR erzeugen. Nur für den Fall der Fälle.
Dann ist es soweit: die Sonne blinzelt durch die Wolken. Darauf habe ich gewartet. Doch als ich den Auslöser drücken will, bemerke ich einen Vogel, links neben mir im Wasser. Er schien um sein Leben zu strampeln. Ich laufe zu ihm. Sieht aus wie ein Kormoran. Plötzlich streift ein Stück Angelsehne meine Waden. Jetzt erkenne ich, dass sie am linken Flügel des Vogels festklemmt.
Mit jeder Welle wird er ein Stück unterspült. Er wirkt außer Kraft. Vermutlich hängt er schon die ganze Nacht in dieser Falle. Ich versuche die Schnur zu lösen, doch sie sitzt zu fest. Schließlich durchtrenne ich sie an einem Felsen. Geschafft, der Vogel schwimmt an Land.
Sichtlich erleichtert sitzt er vor mir im Sand. Meine Kamera hingegen steht allein im Mittelmeer, ohne Foto des Sonnenaufgangs. Zumindest ist eine Langzeitbelichtung der Felsen übriggeblieben, besser als nichts.
Die Sonne ist wieder hinter den Wolken verschwunden. Den magischen Moment des Sonnenaufgangs habe ich verpasst, dafür den Vogel gerettet und vielleicht das Herz des ein oder anderen Lesers dazugewonnen 😉
3 Kommentare
Sehr schön. Du hast zwar einen Sonnenaufgang verpasst, aber ohne dich hätte der Vogel wohl nie wieder einen erlebt. Und das Bild ist auch ohne die Sonne gut 🙂
Also ich finde ja, du solltest deine feinen Blogs auch über Facebook verlinken und so vielleicht mehr Leuts teilhaben lassen. Wieder ein interessanter und schöner „Ausflug“ in deine Erlebnisse.
Liebe Grüße!
Hallo Katrin,
danke für die lieben Worte. Du kannst mir gern auf Facebook folgen, dort werden meine Blogbeiträge stets verlinkt:
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