Gäbe es ein Rezept um die Milchstraße in der Wildschönau zu fotografieren, würde es etwa so aussehen: Es ist Nacht. Der Mann im Mond hat die Laterne längst ausgeknipst. Du siehst die Hand vor Augen kaum. Dein Kameradisplay steht auf minimaler Helligkeit, blendet dich aber wie die Treibstoffexplosion einer Falcon-9-Rakete. Und du liest diesen Blogbeitrag. Was du zweifelsfrei gerade tust, obwohl du noch gar nicht weißt, was dir dieser Text bringen wird.
Und vielleicht […] ja, dass ist natürlich reine Spekulation — aber vielleicht hast du sogar parallel einen Tab im Browser geöffnet, um zu googeln, was mit »Wildschönau« überhaupt gemeint ist. Wie gemein! Und gemeint + gemein = Gemeinde?
Korrekt. Die Wildschönau ist eine Gemeinde! In Österreich. In den Kitzbüheler Alpen um genau zu sein.
Warum sollte man die Milchstraße in der Wildschönau fotografieren?
Eingebettet im Tal; zwischen Markbachjoch, Schatzberg und dem Alpbachtal, gibt es zahlreiche interessante Fotospots in der Wildschönau, an denen man die Milchstraße gut fotografieren kann. Fünf dieser Fotospots möchte ich dir heute vorstellen. Dann musst du vor Ort nicht planlos durch die Nacht irren. Was ich aber getan habe, um dir meine Erkenntnisse sauber aufbereitet präsentieren zu können. 14 Tage war ich vor Ort, um alles gründlich zu erforschen. Lehn dich zurück. Lass dich berieseln. Alle Fotospots kannst du direkt mit dem Auto anfahren. Du musst nicht ängstlich durch die Nacht tapsen.
Planung bei der Astrofotografie
Hier nur ein ganz kurzer Diskurs, damit wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Falls dir die Planung für die Astrofotografie schon vertraut ist, kannst du diesen Abschnitt gern überspringen. Ansonsten lies weiter; ich hoffe das Wetter wird wolkenfrei und heiter 🙂
Und das Wetter ist ein gutes Stichwort. Davon hängt bei der Astrofotografie alles ab. Darum traue keinem Wetterbericht den du nicht selbst gefälscht hast.
Doch bevor wir uns mit dem lokalen Wetter beschäftigen, sollten wir einen Blick in den Mondkalender werfen. Ihn können wir nämlich ganz und gar nicht gebrauchen. Also den Mond. Nicht den Kalender. Und ganz zufällig habe ich meinen Familienurlaub genau mittig um die Neumondphase im August gelegt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Zudem ist die Aufgangszeit der Milchstraße, genauer gesagt des besonders hellen Teils — dem Galaktischen Zentrum — um kurz nach 22 Uhr zu einer sehr humanen Zeit. Die Kinder schlafen, die Nacht ist noch jung. Es lässt sich entspannt zwei Stunden fotografieren, ohne am nächsten Morgen mit argem Schlafdefizit in der Sommerrodelbahn zu sitzen.
Nun gilt es nur noch die geeigneten Fotospots zu finden. Solche Spots sucht man am besten schon am Tag. Ich nutze dazu die AR-View der App PhotoPills und suche nach vielversprechenden Kompositionen. Damit du dir diese Arbeit sparen kannst, präsentiere ich dir jetzt meine fünf Fotospots in der Wildschönau, die ich zum Fotografieren der Milchstraße entdeckt und für gut befunden habe.
5 Fotospots in der Wildschönau zum Fotografieren der Milchstraße
Um dem Ganzen ein wenig geografische Struktur zu geben, fahren wir die Fotospots von Nord nach Süd ab. Ausgehend vom Inntal in Wörgel erreicht man die Region Wildschönau mit dem Auto in rund 15 Minuten. Wir starten in Niederau und fahren gen Süden. Über Thierbach bis zur Schönangeralm. Legen wir los?
1 Milchstraße über Niederau an der Jausenstation Foisching
Ausgehend vom Ort Niederau erreicht man die Jausenstation Foisching in ca. 30 Gehminuten, kann aber auch mit dem Auto nach oben fahren. Parkplätze sind vorhanden, wenn auch nicht viele. Nachts natürlich kein Problem.
An der Jausenstation Foisching gewinnt man einige Höhenmeter und hat einen wunderschönen Blick über das Tal der Wildschönau. Die Milchstraße steht im Sommer senkrecht, faktisch genau über Niederau, mit Blick zum Markbachjoch.
Eine solche Komposition macht durchaus Sinn. Es gibt drei Ebenen, für mehr Bildtiefe: Den Vordergrund mit Wiese und Bäumen. Den Mittelgrund mit den Lichtern der ‚Stadt‘. Und im Hintergrund die Berge, mit der Milchstraße als Highlight.
Da ich weiß, dass die meisten Blogbeiträge mit dem Smartphone gelesen werden, habe ich alle Bilder im Hochformat bereitgestellt. Zielgruppenorientierter Content sozusagen. Ist das nicht toll?
2 Milchstraße über der Pfarrkirche in Oberau
Wir fahren weiter in den nächsten Ort, nach Oberau. Der 52 Meter hohe Turm der barocken Pfarrkirche ist eines der Wahrzeichen der Wildschönau. Die Kirche liegt direkt an der Hauptstraße. Man muss sogar einspurig ausweichen um das Nebengebäude nicht zu rammen. Natürlich darf auch hier ein Foto mit der Milchstraße nicht fehlen!
Jetzt habe ich doch geflunkert. Um die Kirche samt Milchstraße ins Bild zu bekommen, eignet sich das Querformat doch besser. Bitte verzeih es mir.
Interessant ist hier, wie gut man die Milchstraße sieht, obwohl man davon ausgehen würde, dass die vielen Lichter im Vordergrund stören. Tatsächlich ist diese Aufnahme mit nur einem Foto entstanden. Keine Belichtungsreihe. Kein Composing. Und, man muss es heute ja fast schon dazu sagen; ohne Cheats durch AI-Tools wie in Luminar. Ein paar Abstriche gilt es in Kauf zu nehmen. Das Kirchengebäude ist doch ein wenig ausgebrannt. Hier hätte ich lieber eine zweite Aufnahme für den Vordergrund machen sollen. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.
3 Milchstraße über dem Schatzberg
Wir bleiben in Oberau. Eine kleine Straße führt von der Ortsmitte bis hinauf zur Horlerstiegl: Ein exzellenter Ausgangspunkt zum Wandern (z.B. zum Rosskopf oder dem Feldalphorn), ohne extra mit der Seilbahn zum Markbachjoch fahren zu müssen. Hier ist es besonders dunkel. Selbst mit Fernlicht sieht man den Wald vor lauter Bäumen kaum.
Die Milchstraße kann man entlang des Weges, mit Blick zum Schatzberg, besonders gut sehen. Nachteil ist, dass es ein wenig am Vordergrund mangelt, bzw. der Vordergrund einfach zu dunkel ist. Selbst bei langen Belichtungszeiten. Wie ein Wald nachts eben so ist.
Insofern ist es eher ein Spot für Beobachtungen der Milchstraße mit bloßem Auge. Leider kann man damit keine Instagramer und Blogleser beeindrucken. Deshalb habe mich mit diversen Stirn- und Campinglampen impulsiv versucht ins Bild zu drängeln.
Kann man mal machen.
4 Die Milchstraße in Thierbach
Wir fahren weiter nach Thierbach, dem kleinsten, aber auch höchstgelegensten Ort in der Wildschönau.
Bei Wanderern beliebt ist hier die Familienroute am Koglweg. Dort finden sich überall hübsche Häuser und kleine Anhöhen, die sich gut als Vordergrund für die Milchstraße eignen. Zudem ist die Lichtverschmutzung in Thierbach sehr gering. Der Ort liegt auf 1.180 m. Die Milchstraße lässt sich hier sehr dominant fotografieren, ohne dass sie von übergroßen Bergen verdeckt wird.
Ein Selfie zur Erinnerung schadet natürlich auch nie.
5 Die Kapelle an der Schönangeralm
Kommen wir zum letzten Fotospot des Blogbeitrags: Die Schönangeralm. Besonders die kleine Kapelle hat es mir angetan, die ich einige Tage zuvor bei einer Wanderung mit der Familie entdeckt habe. Ein kurzer Blick ins Nacht-AR von PhotoPills war vielversprechend.
Als sich einige Tage später die Wolken verzogen haben, bin ich nachts erneut zur Schönangeralm gefahren. Auf dem Weg dahin sah ich bei 47°23’54.69″ N 12°2’33.62″ E (Koordinaten sind immer cool, nicht wahr?) eine weitere Kapelle, die sich förmlich angeboten hat.
Also kurz raus aus dem Auto. Stativ aufgebaut. Motiv mitnehmen. Was man halt so macht.
Zugegeben: Ich hätte ein Stück weiter rechts stehen können, damit die Milchstraße nicht so an den Rand gequetscht wird. Aber — Achtung es kommt ein Wortwitz — es war für mich eh nur ein Randmotiv 🙂
Nach weiteren 10 Minuten erreicht man bereits die Schönangeralm. Vom Parkplatz sind es dann nur noch 200 m bis zur Kapelle, die per se erstmal stockfinster ist. Also muss eine künstliche Lichtquelle hinein. Meine kleine Campingleuchte in dem Fall. Hier das finale Foto, um den Blogbeitrag würdig abschließen zu können.
Fazit
Nachts sind bekanntlich alle Milchstraßen grau. Aber die Kamera bringt Farbe ins Spiel. In der Wildschönau geht das besonders gut. Womit bewiesen wäre, dass die Kitzbüheler Alpen nicht nur ein schickimicki Eldorado sind, um Handtaschen von Louis Vuitton zu kaufen, die zum Preis der neuen Canon EOS R5 gehandelt werden. Die Region eignet sich auch erstklassig zur Astrofotografie. Mit diesem Blogbeitrag hast du hoffentlich die nötigen Anregungen gefunden, es selbst auszuprobieren.
4 Kommentare
Sehr beeindruckende Bilder. Habe es vor 2 Wochen auch mal mit der Milchstraße versucht, bin aber krachend gescheitert. 🙂 Aber die Gegend zwischen Essen und Düsseldorf ist für so etwas auch nicht sonderlich gut geeignet.
Gibt’s eigentlich einen Trick bei der Beleuchtung dieser Kapelle oder von Autos. Das habe ich bei dir schon öfter gesehen, neulich mal (mit meinem Auto) ausprobiert und das Ergebnis war sehr durchwachsen.
PS: Ich würde nie auf die Idee kommen, deinen Blog auf dem Smartphone zu lesen. Da wirken diese tollen Bilder doch gar nicht richtig. 😉
LG
Ben
Hallo Ben,
ein dunkler Ort ist definitiv von Vorteil, wird wohl im dicht besiedelten Ruhrpott eher schwer zu finden sein :-p
Es müssen nicht zwingend die Alpen sein. Funktioniert auch im Harz ganz gut.
Für die Beleuchtung von Autos / Kapellen & Co gilt:
– Im Zweifel lieber zwei Fotos machen: 1x Mit Beleuchtung, 1x ohne (für die Milchstraße)
– Wenn es der Dynamikumfang der Kamera schafft, beides in einem Foto zu schaffen, dann auf jeden Fall die Beleuchtung sehr gering wählen. Ich stelle meine Lampe immer auf minimale Helligkeit (lässt sich dimmen). Oder verstecke Sie an einer Stelle, wo sie nicht direkt ins Bild scheint. Sonst hat man unschöne Spots, wo man die Lichtquelle sofort sieht.
Es eignet sich auch besser eine warme Lichtquelle. Bei meiner letzte Zelt-Milchstraßen-Tour in den Alpen hatte ich eine neue Camping-Lampe mit LED dabei, die ein Warm-Licht/Camping-Modus hatte. Sogar mit Rotlicht separat. Das Ding ist genial und ich kann sie dir für 9,99 EUR bei Amazon wärmstens empfehlen. Affiliate-Link aus voller Überzeugung 🙂
Aber dazu mehr im nächsten Blogbeitrag …
Er ist zwar schon alt, aber trotzdem herzlichen Dank für diesen Beitrag. Ich bin nächste Woche in Thierbach (bzw. noch weiter oben am Berg) und mein Plan war dort die Milchstraße zu fotografieren! Mond passt auch. Nun hoffe ich nur noch, dass es klare Nächte hat, aber bisher schauts nicht schlecht aus 🙂
Hallo Alex,
die Milchstraße ist ja auch schon paar Jahre alt, trotzdem ist das Thema aktuell.
Ich hoffe du hast Glück mit dem Wetter und kommst zu deinem Zielfoto. Viel Spaß 🙂
Gruß
Thomas