Die Lofoten sind ein Muss für Fotografen, aber muss man da wirklich hin? Klären wir. Fakt ist: wenn Benjamin Jaworskyj dort breitbeinig am Strand steht, dann muss es episch sein! Auch wenn direkt hinter ihm lautstark die LKWs auf der E10 fahren, um palettenweise Imsdal-Wasser nach Reine zu liefern. Aber der Reine Reihe nach […]
Wir sind im zweiten Teil meines Reiseberichts über die Lofoten. Von meinem Koffer fehlt noch immer jede Spur. Das Gute ist: das Wetter ist so schlecht, dass wir sowieso nichts unternehmen können 🙂
Besserung in Sicht? Leider nein.
Meine Regenhose ist natürlich im Koffer. Genau wie die neue Jacke, für die ich einen Tag vorm Abflug noch 120 km in eine Zweigfiliale fahren musste, um sie in meiner Größe zu bekommen. Und nun stehe ich ohne alles auf den Lofoten, mit einem Zettel von Norwegian Air:
Wenn Sie wichtige Dinge, die in Ihrem aufgegebenen Gepäck waren, kaufen müssen – oder Teile der Ausrüstung mieten müssen – können Sie diese Kosten bis zu einer bestimmten Höhe geltend machen.
Aber wo mietet man ein Stativ auf den Lofoten? Und wenn ich jetzt zwei Stunden bis Svolvær fahre, um mir eine Gore-Tex-Jacke für 400 EUR zu kaufen: Ist das dann noch »eine bestimmte Höhe«?
Schwierig. Was hättest du gemacht? Ich stand letztlich im »Sentrum« von Leknes und habe mich für das Nötigste entschieden: So kann ich wenigstens frisch in den Tag starten 🙂
Tag 3: Ein komplett grauer Tag
Nun ja. Den Blick aus dem Fenster kann man sich schenken: Das Wetter ist eine Frechheit.
Wir fahren nach Reine, zum Wandern. Der Gipfel des Reinebringen lockt uns extrem. Doch überall werden wir gewarnt: »zu gefährlich«, »schwarze Route«, »auf keinen Fall bei Regen!« Der Wanderweg wird gerade ausgebaut. Sherpas aus Nepal errichten dort mühsam einen Treppenaufstieg, der bis zum Gipfel führen soll.
Die Vernunft siegt. Ich möchte nicht riskieren, dass meine Bürojeans dreckig wird 🙂
Wir fahren weiter und da es gerade nicht regnet, bietet sich der ein oder anderen Schnappschuss entlang der Straße an.
Unser neues Tagesziel ist der Kvalvika Beach, den wir nach einer Wanderung über Holzpfähle, Steine und Schlammgebiete in gut einer Stunde erreicht haben.
Ich stehe zu mittig im Bild, aber für die Drittelregel hatte Pino keine Zeit mehr. Dunkle Wolken ziehen auf. Wir wandern zurück.
Im Auto frage ich mich, was ich heute noch fotografieren könnte. Die rote Holzhütte am Strand! In Ramberg! Liegt genau auf dem Weg. Pino ist gelangweilt und wartet im Auto. Er hat die Hütte schon vor einem halben Jahr im Schnee perfekt erwischt (siehe Instagram).
Ich umkreise die Hütte und stelle fest: ziemlich grau, ziemlich flau, dennoch »wow«?
Geht so. Wir fahren weiter und ich versuche mich an weiteren Hütten entlang des Weges. Führende Linien und so 🙂
Dann wird es schlagartig dunkel. 14:45 Uhr sind wir zurück im Hotel. Der Tag ist rum und war leider sinnlos.
Pino möchte gern noch was erleben. Wir steigen ins Auto, um wenigstens noch schön essen zu gehen. Motor an, Navi startet: »In 50 Metern haben Sie das Ziel erreicht«. Das Restaurant liegt direkt neben dem Hotel. Wussten wir nicht, gefällt uns aber 🙂
Tag 4: Der Tag der Hoffnung!
Heute wird alles besser. Der Tag beginnt zum ersten Mal mit ein wenig Sonne. Wir fahren 9 Uhr los, um den Tag maximal auszukosten. Dann beginnt es zu regnen. Natürlich tut es das.
Aber Regen und Sonne? Da war doch was!
Pino schnell, stell dich mal da auf den Hügel.
Ich schnalle mein 24-70 auf und drücke ab. Läuft!
Wir fahren weiter. Es ziehen bedrohliche Wolken auf. Wir überqueren die Fredvang-Brücken. Ich halte sofort an und schicke die Drohne in die Luft. Sagenhaft!
Dann kommt ein heftiger Regenschauer. Wieder werde ich komplett nass – in meiner Jeanshose. Das die Mavic Air bei dem Wetter noch problemlos fliegen UND landen konnte, ist ein Wunder. Ein robustes Kerlchen 🙂
Das Wetter beruhigt sich wieder und es wäre auch rentnermäßig, wenn ich hier ständig übers Wetter philosophieren würde. Darum stoße ich mich lieber zum zwanzigsten Mal an der Heckklappe vom Opel Astra, die sich nie weit genug öffnet. Schreckliche Konstruktion. Aber keine Zeit für Banalitäten. Vor uns liegt eine wirklich schöne Wanderung. Wir wollen zum Ryten aufsteigen!
Der obligatorische Starkregenschauer trifft uns mitten beim Aufstieg. Ein wunderbares Gefühl. Eine Stunde später stehen wir dennoch am Gipfel. Freiheit durchdringt mich.
Und während ich am Abgrund stehe – und eigentlich springen müsste – klingelt mein Handy.
We found your bag in Oslo
Gibt’s ja nicht. Mein Koffer wurde gefunden. Nach vier Tagen. Ein Flughafenmitarbeiter aus Oslo versichert mir, dass mein Koffer noch heute nach Harstad/Narvik geflogen wird. Von dort geht er dann per Kurier zum Hotel. Das macht Hoffnung.
Aber erstmal zieht ein heftiger Hagelsturm über den Gipfel. Die Sicht reduziert sich auf 50 m. Dann klingelt mein Telefon erneut.
I am struggling where you are
Ein Mitarbeiter von Norwegian Air fragt mich, ob ich noch auf den Lofoten oder schon wieder in Deutschland bin. Ich bestätige mein Hotel in Leknes, wie es auf seinem Zettel steht. Er bedankt sich und organisiert alles Weitere. Ich bin beruhigt, während ich auf dem berühmten Instagram-Felsvorsprung vom Ryten sitze.
Das Wetter wird zunehmen schlechter. Wir steigen ab und erreichen nach einer Stunde das Tal. Verlockend ist die Abkürzung zum Auto über ein Privatgrundstück, dessen Warnschilder wir ignorieren. Doch die Besitzerin hat uns gesehen und kommt sofort aus dem Haus gerannt. Wild um sich fuchtelnd macht sie uns unmissverständlich klar, dass wir sofort verschwinden sollen. Spielverderber!
Wir fahren zurück ins Hotel. Mit der Gewissheit, dass mein Koffer heute ankommt, bin ich bestens gelaunt. Ich checke noch die SMS, die mich heute Mittag erreicht hat.
Ach nein: 04NOV? Heute ist der 03.11. Dann kommt der Koffer also erst morgen? Na toll, wieder einen Tag verloren!
Ich checke den verlinkten Bericht:
Zielflughafen Tromsø. Was soll denn das? Und als Zielort Lakselv? Ich bin in Leknes!
Als Leser denkst du sicher: kleiner Fauxpas, nicht weiter dramatisch. Doch! Leknes vs. Lakselv ist wie wenn man Magdeburg mit Marokko verwechselt.
Ich fasse es nicht. Lakselv liegt 12 Stunden entfernt. Den Flug muss ich unbedingt stoppen.
Vergeblich versuche ich den Kundendienst telefonisch zu erreichen. Dann bitte ich die Hotel-Rezeption, am Flughafen in Oslo anzurufen. Mit Handy und Festnetz. Auch hier niemand zu erreichen. Parallel schreibe ich Norwegian Air im Facebook-Chat an. Keine Reaktion. Nirgendwo. Es kostet mich den ganzen Abend: Nichts passiert.
Erst gegen 20 Uhr bekomme ich ein Feedback, dass der falsche Flug storniert wurde. Und wieder ist ein Tag vergangen.
Tag 5: Der schlechteste Tag von allen
Heute wird es gar nicht hell. Es ist Dauerregen, seit gestern Abend. Wir entscheiden uns für ein spätes Frühstück und fahren dann zum Flughafen in Leknes, der nur 5 Minuten entfernt ist. 11:20 Uhr soll dort die Propellermaschine mit meinem Koffer landen, was ich gern dokumentiert hätte. Es kam aber kein Flugzeug. Den Rest des Tages haben wir im Auto vorm Hotel verbracht, um auf den Koffer zu warten und ein paar YouTube-Videos zu schauen.
Dann wurde es dunkel. Ernüchterung macht sich breit. Wir sitzen im Hotelzimmer. Der Tag war komplett sinnlos. Doch dann klopft es an der Tür. Mein Koffer ist da! Ziemlich ramponiert, auf nur noch drei Rädern.
Die drei Packungen Kekse, die ich aus Deutschland mitgebracht habe, sind komplett pulverisiert. Der Koffer muss hart gefallen sein. Aber zumindest habe ich mein Stativ und meine Regenhose wieder 🙂
Jetzt könnte es losgehen! Mein iPhone meldet starke Polarlichter über uns, mit einer Sichtbarkeitswahrscheinlichkeit von 55%. Ein extrem hoher Wert. Der Himmel brennt förmlich.
Aber was nützt es uns, wenn alles unter einer dicken Wolkendecke vergraben ist? Nichts. Darum gehen wir ins Bett.
Tag 6: Norregen in Norwegen
Heute ist der letzte Tag unserer Lofoten-Reise. Wieder Dauerregen. Ideal um herrlich auszuschlafen. Dann ein spätes Frühstück, um anschließend den Tank mit dem günstigen »Bensin« für 1,80 EUR / Liter leerzufahren.
Wir waren überall, z.B. im kleinen Fischerdorf Nusfjord, wo nichts los war. Gar nichts. Aber passend zum Regen lief mir das Wasser im Mund zusammen. Nusfjord wie lecker. Ich muss die ganze Zeit an Nussecken in Schokolade denken.
Nach zwei Stunden Fahrt durch graue Dörfer der Lofoten, geleitet von Schildern zur »Krigsminne«, die wir nicht gefunden haben, sind wir irgendwann am klassischen Fotospot in Hamnøy angekommen: Um das Foto mit den roten Häusern am Wasser zu machen, was jeder Touri auf den Lofoten macht. Aber egal, es ist das letzte Motiv einer verkorksten Reise. Also schraube ich den ND-Filter auf und laufe mit meinem Stativ im Nieselregen zur Brücke, um das Foto der Fotos zu schießen.
Zum Abschied gönnen wir uns noch einen kleinen, wabbeligen Fischburger für 12 EUR in Sakrisøy. Zeitgleich kommt eine Mail von Norwegian Air, mit der Ironie des Schicksals.
Fazit: Nichts erlebt, aber viel zu erzählen
Vier Flüge, sechs Nächte, achtzehn Stunden im Mietwagen. Mit dem Wetter waren wir wirklich gestraft. Den November kann ich als Reisezeitraum auf den Lofoten nicht empfehlen. Es sind durchschnittlich 21 Regentage in diesem Monat und das Tageslicht auf ca. 5 Stunden begrenzt. Das mein Koffer erst ein Tag vor der Abreise angekommen ist, hat die Situation nicht merklich verbessert. Alles lief denkbar schlecht. Wäre Pino eine Frau, würde sie wohl Christiane Krise heißen.
Aber das Gute ist: wir sind noch am Leben und konnten jeden Tag herrlich ausschlafen. Das Highlight der Reise war das tägliche Abendessen im Lille Milano Restaurant in Leknes 🙂
Norwegian Air hat sich mittlerweile für das Koffer-Chaos entschuldigt:
We’re really sorry for the frustration caused by the damage of your baggage. We do our best to ensure that your baggage arrives safe and sound on your flight, and regret that this was not the case.
Welche Entschädigung gab es für den kaputten Koffer?
We act in accordance with International regulations on airlines’ limited liability for damaged baggage. In these instances, we are able to cover against documentation of the age and value of the damaged baggage, by reducing the purchased price by 30% for the first year, and 10% for each additional year. If the baggage is not older than a year, then we will refund the full value of the damaged baggage.
Mein Koffer war drei Jahre alt. Also gab es 50% vom Kaufpreis zurück. Da ich keinen Kaufbeleg mehr hatte, galt für mich die Regelung:
When there is no documentation of the age and value of the damaged luggage Norwegian has a maximum compensation of EUR 50
Und die gekauften Sachen?
When assessing all claims for delayed baggage, we normally cover 50% of the cost of necessary clothing. As an exception, we will cover 100% of the necessary clothing purchased
Was mir also bleibt ist eine 100%-Erstattung für eine Packung Schlüpfer und neue Tennissocken. Aber es zeigt wieder, was die Landschaftsfotografie eigentlich ist: Eine Kette von Enttäuschungen, auf der Jagd nach dem perfekten Foto.
Ich hoffe mein Reisebericht hat dir dennoch gefallen. Schließlich hat mich jede Minute Lesezeit 100 EUR gekostet. Mitleid nehme ich gern in den Kommentaren entgegen, ich bitte darum! 🙂
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