Nach der legendären Feuerwehr-Gaudi in Holzgau geht unsere Alpenüberquerung auf dem E5 heute in die zweite Etappe. Wir wandern durchs Lechtal zur Memminger Hütte, fotografieren Murmeltiere, baden im Seewisee und genießen den Sonnenuntergang auf dem Gipfel vom Seekogel.
Schön, dass du wieder mit dabei bist!
Die Tour im Überblick
- Distanz: 14,4 km
- Gehzeit: ca. 4,5 Stunden
- Höhenmeter: ↑ 1.443 m ↓ 277 m
Start mit dem Bus nach Bach
Wir starten bequem in den Tag. Mit dem Linienbus geht es von Holzgau ins Nachbardorf Bach. So sparen wir uns vier Kilometer öden Fußweg entlang der Landstraße. Mit uns im Bus: eine Wanderin mit sportlichen Wadln und Nepal-Kette am Rucksack. Dass wir später im selben Zimmer schlafen würden, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Hoffen wir, dass sie keinen schnarchenden Grizzly erwischt 😉 Apropos: Matti hängt noch in der Ferienwohnung in Holzgau am Laptop und arbeitet. Auf der Memminger Hütte gibt’s ja kein Netz.
Von Bach zur Talstation der Materialseilbahn
Wir fahren schon mal vor und steigen an der Haltestelle Bach Winkl aus. Robert und Dirk gönnen sich ein kühles Gösser – die Reste vom Einkauf im Supermarkt gestern. Dann starten wir ins Madautal, entlang des Alperschonbachs. Schon nach 30 Minuten hat uns Matti mal wieder eingeholt. Digitaler Nomade mit Turbolaufwerk?
Viele Wanderer nehmen hier das Linientaxi, von Holzgau direkt bis zur Materialseilbahn der Memminger Hütte. Für 17 € spart man damit zwei Stunden Gehzeit. Aber wir sind keine Cheater und laufen!
Dann ein kurioser Moment: Das Feuerstein-Taxi kommt rasant auf mich zu und hält exakt 30 Zentimeter neben mir. Der Fahrer motzt mich durchs geöffnete Seitenfenster an:
„Hast du’n Problem?! Warum fotografierst du mich?!“
Ich schweige. Er fährt weiter. Besser so, sonst bucht bald keiner mehr dein Taxi!
Die Materialseilbahn und das große Warten
An der Talstation angekommen, wird die Lage ein wenig hektisch. Mit dem Taxi ist gerade eine große Gruppe Wanderer angekommen. Der Bergführer ruft: »Wer sein Gepäck noch hochschicken will, jetzt aber schnell!«
Robert, Dirk und Matti flitzen vor. Ich brauche noch kurz, um meine Kamera und die Trinkflasche in den kleinen 10L-Rucksack umzupacken.
Doch ich bin zu spät. »Sorry. Alles voll. Entweder tragen oder warten!«, sagt der Bergführer.
Oh je. 30 Grad, volle Sonne. 11kg schwerer Rucksack. Und über 1.000 Höhenmeter zur Memminger Hütte. Wir warten! In 30 Minuten soll die nächste Materialseilbahn kommen. Doch nichts passiert […]
Mittlerweile sind alle Wanderer weg. Nur ein Vater und sein Sohn stehen noch neben uns. Pragmatisch treffen wir eine Entscheidung. Plane noch einmal auf, unsere Rucksäcke rein – und los geht’s. Eine Minute später fährt die Materialbahn ab. Glück gehabt!
Gedanke des Tages: Wer gibt der Seilbahn eigentlich das Startsignal? Was ist, wenn sie plötzlich losgefahren wäre, als wir die Plane noch offen hatten?
Aufstieg zur Memminger Hütte
Mit leichtem Gepäck marschieren wir los. Schon nach 20 Minuten überholen wir die 15-köpfige Wandergruppe mit dem Bergführer – wir treffen sie im Verlauf unserer Alpenüberquerung noch öfter.
Dann die erste Panne. Dirk hat sein Wasser im großen Rucksack vergessen. Die Bäche sind verlockend, doch die Hinweisschilder leider eindeutig:
Also muss sich Dirk so nach oben kämpfen. Go go go!
Doch mit der herrlichen Aussicht sind die Höhenmeter schnell erledigt. Das Ziel liegt greifbar vor uns: eingebettet zwischen Seekogel, Seeschartenspitze & Co.
Nach zwei Stunden erreichen wir die Memminger Hütte auf 2.242 m.
Und Matti? Der sitzt längst mit einem Bier auf der Terrasse.
Check-in auf der Memminger Hütte
Zunächst sammeln wir unsere Rucksäcke ein, die per Materialseilbahn gut angekommen sind.
Dann geht’s zum Check-in. Freundlicher Empfang, klar organisierter Ablauf. Halbpension oder à la carte? Wir wählen Letzteres und bekommen eine Chipkarte fürs Buchen von Speis und Trank. Sogar Kartenzahlung ist möglich. Hightech auf 2.200 Metern!
Die Übernachtung auf der Memminger Hütte haben wir bereits 6 Monate im Voraus gebucht. Allerdings getrennt; und so bekommen Matti und Dirk ein anderes Zimmer. Uns wird Zimmer 1 »Babenhausen« zugewiesen. Robert ist skeptisch und möchte am liebsten reklamieren: »Zimmer 1 ist bestimmt laut und liegt direkt neben der Küche.«
Hüttenübernachtungen sind immer so eine Sache: die einen lieben es, die anderen hassen es. Für Robert, Dirk und Matti ist es eine neue Erfahrung. Meine letzte Hüttenübernachtung liegt knapp 10 Jahre zurück, auf unserer Wanderung über den Jubiläumsweg – mit 80 fremden Menschen im Lager.
Mittlerweile haben sich aber auch die DAV-Hütten mehr in Richtung „Luxus“ entwickelt. Wir haben ein 4-Bett-Zimmer. Alles ist sehr sauber und ordentlich. Es gibt sogar Bettwäsche (trotzdem gilt natürlich die Hüttenschlafsackpflicht) und eine Steckdose neben der Tür. Ein Hoch auf die Photovoltaik.
Robert macht nur einen Fehler. Er lässt die Wanderschuhe im Zimmer stehen. Und wir sind nicht allein! Plötzlich betritt die Wanderin mit den sportlichen Wadln das Zimmer. Sie schnauzt Robert wütend an: »Die Schuhe kommen raus« und stellt sie vor die Tür.
Von alle dem bekomme ich aber nichts mit, denn ich bin:
Murmeltiere fotografieren
Es bewegt sich was! Sie sind überall. Ein Gewusel. Alles voller Murmeltiere. Doch sie sind flink und schnell wieder in ihren Höhlen. Leider habe ich keine längere Brennweite dabei, um sie aus der Ferne zu fotografieren. Mit meinem 14-30mm Objektiv komme ich maximal so nah ran, wie die Standardlinse eines Smartphones.
Also lege ich mich auf die Lauer. Zwei Meter vor dem Eingang einer Höhle. Die Kamera lege ich im Gras ab und sitze im Schneidersitz davor. Den Finger am Auslöser. Nach 10 Minuten kommt Bewegung ins Spiel! Ein Murmeltier guckt skeptisch aus dem Loch.
„Griaß di!“
So ganz traut er dem Braten aber nicht. Er bleibt in Sicherheit und genießt lieber die Abendsonne.
Erst als ich gehen will – und mich zum Abschied nochmal umdrehe, kommt er raus und folgt mir.
Abstecher zum Unteren Seewisee
Wenige Minuten von der Hütte entfernt liegt der Untere Seewisee. Ein Gletschersee wie aus dem Bilderbuch.
Während Matti darin badet, entspannt sich Robert am Ufer.
Ich umrunde den See mit meiner Kamera. Die vielen Steine im Vordergrund finde ich besonders interessant.
Sonnenuntergang auf dem Seekogel (2.412 m)
Um den Tag mit einem Highlight ausklingen zu lassen, wandern wir hinauf zum Seekogel, dem Hausberg der Memminger Hütte.
Es sind nur 200 Höhenmeter – ein Spaziergang mit Aussicht. Die Memminger Hütte wirkt von hier oben winzig klein.
Nach 20 Minuten sind wir am Gipfel angekommen. Doch statt die Aussicht zu genießen, suchen die Jungs erstmal nach Mobilfunkempfang. Sie versuchen die Signalstärke zu erhöhen, indem sie ihr Smartphone an die Metallseile vom Gipfelkreuz halten. Bei Robert klappt es, er telefoniert mit seiner Familie.
Ich nutze die Chance lieber zum Fotografieren und gehe ein paar Meter zurück. Doch die Einsamkeit am Gipfel ist nur von kurzer Dauer. Der Sonnenuntergang auf dem Seekogel ist also kein Geheimtipp 😉
Dafür kommen wir mit Gleichgesinnten ins Gespräch.
Wir treffen Olli aus München, der mit seinem VW Bulli angereist ist und am liebsten »on the road« leben möchte. Er hat eine alternative Route über den E5 gewählt, mit vielen (für uns zu krassen) Gipfeln. Und ja, eigentlich heißt er Dominik. Aber Namen sind bekanntlich Schall und Rauch, was die perfekte Überleitung ist: Der Bergführer, den wir heute mit seiner Gruppe beim Aufstieg überholt haben, ist ebenfalls am Start. Er raucht wie ein Schlot und erzählt von seinen Touren. Er hat bereits letzte Woche eine Alpenüberquerung begleitet. Ab 1.175 € führt er Gruppen mit bis zu 15 Personen von Oberstdorf nach Meran. Ob das alle Teilnehmer immer schaffen, möchte Robert wissen.
“Nicht immer. Die letzte Tour haben drei nicht gepackt.“
Den ersten Wanderer musste er bereits an der Materialseilbahn (im Tal) nach Hause schicken. »Junge, wir sind noch nicht mal losgelaufen«, spottet er. Schon erstaunlich, wie sich manche Leute überschätzen.
Da der Sonnenuntergang wenig Dramatik zu bieten hat, entscheiden wir uns für den schnellen Abstieg. Schließlich ist 22 Uhr Nachtruhe auf der Hütte.
Die erste Nacht auf der Hütte
Die Nacht? Eher durchwachsen. Trotz geöffnetem Fenster war es zu warm im Zimmer. Und durchschlafen war leider auch nicht drin:
- 00:00 Uhr: Robert betritt das Zimmer. Er war mit Matti noch draußen am See – der Sternenhimmel war spektakulär.
- 01:00 Uhr: Frau Wadln muss aufs Klo.
- 01:45 Uhr: Robert, der über mir schläft, wirft seine Decke nach unten. Sie fällt genau auf meinen rechten Unterarm.
- 04:30 Uhr: Ich muss selbst aufs Klo.
- 05:45 Uhr: Im Halbschlaf drehe ich mich nach rechts. Frau Wadln steht nur im Slip neben meinem Bett und zieht sich um.
Tja. Hüttenromantik 🙂
In diesem Sinn: Der Beitrag ist schon 1.377 Wörter lang. Ich will dich nicht weiter aufhalten.
Und falls du doch mehr erfahren willst, dann lies gern weiter. Hier gehts zur E5 Etappe 3: Von der Memminger Hütte nach Zams – über die Seescharte
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