Die 5. Etappe unserer Alpenüberquerung startet mit einem straffen Aufstieg zum Pitztaler Jöchl. Von dort geht es steil hinab ins Skigebiet Sölden am Rettenbachjoch, weiter ins Bergsteigerdorf Vent und schließlich hinauf zur Martin-Busch-Hütte.
Kommst du wieder mit?
Die Tour im Überblick
- Distanz: 21,6 km
- Gehzeit: ca. 7,5 Stunden
- Höhenmeter: ↑ 1.230 m ↓ 1.480 m
Morgens auf der Braunschweiger Hütte
Die Nacht im Doppelstockbett war erstaunlich gemütlich. Nur 01:30 Uhr musste Robert kurz den schnarchenden Matti wecken: »Dreh dich mal, trink was.« Dann war Ruhe.
Heute steht die längste Etappe unserer Alpenüberquerung an. Der Wecker klingelt unchristlich früh. Kurz nach sechs sind wir wach. Detlef, unser Ü50-Zimmergenosse, ist mit seiner geführten Wandergruppe bereits unterwegs. Gut für uns, die urige Gaststube ist wie leergefegt. Das Frühstück? Eher minimalistisch: Brot, Marmelade, ein gekochtes Ei und Joghurt. Aber besser als nichts. Mit leerem Magen würden wir den Tag nicht schaffen.
Hüttenromantik in ihrer härtesten Form erlebe ich beim Gang aufs Klo:
Alle „Kabinen“ sind besetzt, die morgendliche Sitzung der alten Männer läuft auf Hochtouren – lautstark und hemmungslos. Wie Tiere! Notgedrungen lausche ich dem „Konzert“, während ich meine Trinkflasche im Waschbecken auffülle. Der Wasserstrahl gleicht einem Hauch von Nebel – es dauert gefühlt eine Stunde, bis die 1,5-Liter-Flasche voll ist.
Übers Pitztaler Jöchl ins Skigebiet Sölden
Um 8 Uhr starten wir unsere heutige Tour. Der Weg führt dorthin zurück, wo ich gestern schon mit Matti war: hinauf zum Pitztaler Jöchl auf 2.995 m. Die Schneefelder sind knietief.
Der Aufstieg ist beschwerlich, aber wir haben Zeit. Am Jöchl staut es sich: Die Wandergruppen der Alpinschule Oberstdorf seilen sich nur langsam ab. Es ist die technisch anspruchsvollste Passage des E5 – aber das Wetter spielt perfekt mit. Blauer Himmel, angenehme Temperaturen. Der Blick ins Skigebiet Sölden gleicht einer Mondlandschaft.
Der Abstieg ist steil, rutschig und fast jeder geht die letzten Meter auf dem Hosenboden hinunter. Doch Matti schlägt sich tapfer!
Nach zwei Stunden erreichen wir das Gletscherskigebiet. Weiter zu Fuß geht es hier nicht, denn der Rosi-Mittermaier-Tunnel ist für Wanderer gesperrt. Während alle auf den Linienbus warten, rollt plötzlich ein Privattaxi an. Ein waschechter Berliner steigt aus, seit Jahren fährt er diese Strecke mit seinem 12-Sitzer. Robert zögert keine Sekunde und lädt unsere Rucksäcke ein.
Für 6 € pro Person sind wir dabei. Fünf Minuten später spuckt uns der Bus auf der anderen Seite am Tiefenbach-Gletscherparkplatz wieder aus.
Mediterraner Abstieg nach Vent
Schon beim Aussteigen merken wir: Es ist eine andere Klimazone. Warm, fast mediterran – wie ein Föhn. Der Abstieg nach Vent im Ötztal beginnt.
Die Landschaft wird mit jedem Meter schöner.
Doch nach fast fünf Stunden Fußmarsch zieht sich der Weg wie Kaugummi. Vent kommt einfach nicht näher.
Erst nach einer weiteren Stunde erreichen wir endlich das Tal. Im Gasthaus Obervent gibt’s ein letztes Bier mit Matti. Er verabschiedet sich – zurück nach Dänemark, zurück zur Familie. Gute Reise, Matti – wir sehen uns wieder!
Robert und ich ziehen allein weiter. Die Hitze ist brutal, wir fühlen uns wie in einem Kessel. Erstmal ein Stopp im Venter Kaufhäusl: ein Eis zur Abkühlung muss sein. Robert versucht, den Kassierer zu überreden, uns hoch zur Martin-Busch-Hütte zu fahren: »Für ein paar Scheine?«
Keine Chance. „We went to Vent?“ – Es bleibt beim Fußweg.
Rucksacktransport und kuriose Begegnungen
Erleichterung am Hotel Tirol. Ein Schild weist auf den Rucksacktransport zur Martin-Busch-Hütte hin.
Und wen treffen wir? Fluppenhans, den kettenrauchenden Bergführer mit seiner Wandergruppe. »Stellt eure Rucksäcke einfach dazu«, meint er.
Und da ist er wieder, der innere Konflikt: Lasse ich meinen Rucksack mit der teuren Kamera einfach so am Straßenrand stehen? Hilft ja nichts. Für 8 € gibt’s ein Bändchen am Henkel, das dem Fahrer wohl zeigen soll: bezahlt.
Robert wittert sofort eine Chance, als die Bedienung meint, sie fährt gleich mit dem Elektromotorrad zur Hütte:
»Können wir da mit drauf? In Indien fahren die zu fünft auf den Teilen!“
Sie lehnt ab. Versicherung, Privatstraße, bla bla.
Aufstieg zur Martin-Busch-Hütte
Doch der Weg hinauf ist leichter als gedacht. 2,5 Stunden gemütlich über den Forstweg, etwa 650 Höhenmeter – erstaunlich entspannt.
Gegen 18 Uhr taucht dann die Martin-Busch-Hütte (2.501 m) auf. Und passend zum Schild endet auch hier der heutige Bericht.
Und die Hütte? Wenig Zauber – ehemals „Hermann-Göring-Haus“.
Der Haupteingang ist gesperrt, wir müssen durch den Keller. Muffig, ungemütlich.
Beim Check-in erfahren wir, dass wir zu spät fürs À-la-carte-Essen sind (nur bis 17 Uhr). Zum Glück haben wir noch genug Proviant im Rucksack: Müsliriegel und Nüsse werden zum Abendbrot. Dafür haben wir Glück beim Schlafplatz: ein 4-Bett-Zimmer, ganz für uns allein. Mit eigenem Waschbecken! Auf einer Hütte fast schon Luxus.
Wir versinken im Doppelstockbett. Die Beine sind schwer, die Lust auf „Socializing“ mit den anderen Wanderern ist heute gleich null.
Ausblick
Wenn du aber noch nicht genug von uns hast: Am kommenden Sonntag folgt hier die letzte Etappe unserer Alpenüberquerung. Das große Finale!
Bist du wieder mit dabei?
Hinterlasse eine Nachricht