Die letzte Etappe unserer Alpenüberquerung führt uns von der Martin-Busch-Hütte hinauf zur Similaunhütte. Dort überschreiten wir die Grenze nach Italien. Es folgt ein schroffer Abstieg mit einem klaren Ziel vor Augen: dem smaragdgrünen Stausee von Vernagt. Hier endet unsere E5-Tour und damit auch diese 6-teilige Serie. Also lasst es uns noch einmal richtig genießen. Kommst du wieder mit?
Die Tour im Überblick
- Distanz: 10,2 km
- Gehzeit: 4,5 h
- Höhenmeter: ↑ 563 m ↓ 1.220 m
Morgens auf der Martin-Busch-Hütte
Der Tag startet, wo er gestern geendet ist: in den Ötztaler Alpen. Genauer gesagt im Doppelstockbett von Zimmer 12 auf der Martin-Busch-Hütte. Um 6:30 Uhr klingelt der Wecker, wir stapfen in den Frühstücksraum. Das Buffet? Eher dürftig, aber wir sind’s mittlerweile gewohnt.


Während Robert den letzten Kaffee auf der Terrasse genießt, herrscht ringsum schon Aufbruchstimmung. Fluppenhans, der kettenrauchende Bergführer, trommelt seine Truppe zusammen. Die letzte Etappe steht an: das große Finale. Südtirol ist in greifbarer Nähe.
Das Wetter ist auch heute wieder perfekt. Genau wie die vergangenen fünf Tage. Blauer Himmel, Sonnenschein und die Martin-Busch-Hütte mitten im Panorama.

Pünktlich um 8 Uhr satteln wir unsere Rucksäcke und verlassen als Letzte die Hütte. Auf nach Italien!
Aufstieg zur Similaunhütte
Vor uns liegen entspannte 500 Höhenmeter, die uns hinauf zur Similaunhütte auf 3.019 m führen. Doch wo geht es lang? Kein E5-Schild in Sicht. Wir folgen daher dem Niederjochbach, nur um nach der ersten Brücke festzustellen, dass wir auf der falschen Seite laufen.

Doch wir haben massig Zeit: Heute liegen nur 10 km Strecke vor uns. Wir drehen um, laufen querfelsein (Felder gibt es hier nicht) und finden den richtigen Weg.

Unterwegs treffen wir drei Männer mit Spitzhacke und Schaufeln, die Steine vom Weg räumen. »Sollen wir helfen?« Robert packt kurzerhand mit an und hebt mit den Männern einen massiven Brocken zur Seite.
»Wir bauen hier die Autobahn zum Ötzi aus«, witzelt einer der „Bauarbeiter“. Tatsächlich sind es Mitglieder der DAV-Sektion Berlin, die hier ehrenamtlich Wanderwege instand setzen. Dafür wohnen sie kostenfrei (mit Vollpension) auf der Martin-Busch-Hütte und verbringen den ganzen Tag in herrlicher Natur. Ihr Ziel: den Weg zur Ötzi-Fundstelle für Touristen leichter zugänglich zu machen. Im Zweifel soll man sogar mit dem Kinderwagen langfahren können 😉

Den Abstecher zum Ötzi-Fundort lassen wir aber aus. Erst gestern steckte dort eine Gruppe hüfthoch im Schnee und musste umkehren.

Funfact am Wegesrand: Irgendwer hat sein Motorrad hier oben abgestellt. Eine kleine Probefahrt wäre schon reizvoll gewesen, leider steckte der Schlüssel aber nicht 😉

Doch motorisiert kommen wir sowieso nicht weiter. Entlang des Moränenrückens passieren wir mehrere Schneefelder, mitten im Sommer – ein herrliches Gefühl.


Nach zwei Stunden erreichen wir schließlich den höchsten Punkt unserer E5-Tour, auf 3.019 m.

Zwischenstopp auf der Similaunhütte
Im Vergleich zur Martin-Busch-Hütte ist die Similaunhütte der pure Luxus. Mega schön, sehr modern und gut riechend. Selbst der Besuch auf dem Klo ist ein Vergnügen. Privat geführt eben. Dafür auch deutlich teurer in den Übernachtungspreisen. Nur das Personal wirkt wenig ambitioniert. Da draußen dunkle Wolken aufziehen, sorgen wir uns ein wenig und Robert fragt: »Habt ihr den Wetterbericht?« Kurzes Zögern. »Nein, haben wir nicht«. Robert fragt weiter: »Es soll ja Gewitter geben. Wann genau müssen wir spätestens absteigen?«. Doch auch hier nur die ernüchternde Antwort vom Kellner: »Das weiß ich nicht.«
Dafür sind wir ganz allein im Gastraum der Similaunhütte, bewundern den Blick zum gleichnamigen Gipfel und essen eine Kleinigkeit.


Zu unserer Freude gibt es sogar noch ein Wiedersehen mit Fluppenhans und seiner Wandergruppe. Wir haben sogar ein Foto mit ihm gemacht, was ich nur leider nicht zeigen darf. Ich hab versäumt ihn zu fragen, ob er auf meinem Blog veröffentlicht werden möchte. Aber hey, wenn du das liest; melde dich :-p
Dann verabschieden wir uns von ihm und lassen die Gruppen ziehen.

Passend zur Stimmung startet Robert auf dem Smartphone lautstark »Bello e impossibile« (italienisch für „Schön und unmöglich“) von Gianna Nannini aus dem Jahr 1986. Denn mittlerweile befinden wir uns in Italien! Auch wenn wir entlang des Wanderwegs keinen Hinweis zur Grenze gesehen haben.
Abstieg nach Vernagt
Als die Wolken immer dichter werden, starten auch wir unseren Abstieg. Wir wollen schließlich trocken am Ziel ankommen.


Als Fotograf ist das genau die Lichtstimmung, auf die ich die letzten fünf Tage sehnlichst gewartet habe. Endlich kein langweilig blauer Himmel mehr. Sondern Wolken und Stimmung!

Der Weg hinab wirkt mystisch, beinahe bedrohlich.

Nach den langen Märschen der vergangenen Tage fühlt sich das Wandern mittlerweile wie Routine an. Trotzdem gilt es auch auf den letzten Metern wachsam zu sein. Viele E5-Wanderer ziehen sich hier noch Verletzungen zu. Es geht immerhin 1.200 Höhenmeter bergab.

Je tiefer wir kommen, desto mehr verwandelt sich die Umgebung in eine Mondlandschaft. Verglichen mit dem Hochsommer der letzten Tage fühlt sich Südtirol eher wie ein grauer November an.

Dann klart es ein wenig auf. Erstmalig sehen wir ein klitzekleines Stückchen vom Stausee von Vernagt.

Zwischendurch treffen wir auf eine Horde Schafe. Die Jungs und Mädels sind sichtlich fotogen, findest du auch?

Schritt für Schritt kommen wir dem Stausee näher, der bisher in weiter Ferne lag. Seine Farbe ist unglaublich.

Wir erreichen die Baumgrenze. Das Klima ändert sich radikal. Es wird spürbar wärmer und die Natur immer grüner.

Und dann geht alles ganz schnell. Nach rund vier Stunden erreichen wir den Stausee von Vernagt.

Das Ende der Alpenüberquerung ist überraschend unspektakulär. Kein Zielbogen, keine Medaille, kein „Finish“. Nur ein schlichtes Holzgatter. Da ist selbst die Statistik der zurückgelegten Schritte auf meiner Smartwatch spannender.

Endstation am Stausee Vernagt
Wir kehren in den Tisenhof ein, den kleinen Bergbauernhof mit Hofschank über dem See. Passend zum E5 sitzen wir an Tisch Nummer 5 und stoßen an. Es ist geschafft!

Gleichzeitig ist es ein wenig traurig, dass nun alles vorbei ist. Enttäuschend ist auch, dass es für uns E5-Touris hier keinerlei Merchandise gibt. Kein cooles T-Shirt für Alpenüberquerer wie auf der Kemptner Hütte. Kein Ansteck-PIN. Keine Postkarte. Nichts. Robert fragt spaßeshalber, ob er wenigstens die Schürze der Kellnerin vom Tisenhof kaufen könne. Der Blick: unbezahlbar.
Mit dem Bus nach Meran
Von Vernagt geht es für uns mit dem Bus weiter nach Meran, wo wir uns eine Ferienwohnung gemietet haben. Es erwarten uns 32 Grad und ein abendliches Gewitter, was es in sich hat. Der Kontrast könnte größer kaum sein. Wir sind froh, bei dem Wetter nicht mehr auf dem Berg zu sein.

Damit endet unsere Tour final. Am nächsten Tag reisen wir zurück in die Heimat.

Fazit zur Alpenüberquerung
Sechs Tage, sechs Etappen, über 130.000 Schritte. Es war eine großartige Erfahrung: abwechslungsreich, voller Begegnungen, mit unvergesslichen Momenten.
Für mich war es zwar nicht das ganz große Fotoabenteuer (der Himmel war einfach zu blau :-p), doch 2.118 Bilder sind trotzdem entstanden. Die E5-Tour ist damit ausreichend dokumentiert. Am Ende war das gute Wetter natürlich ein Segen. Bei Regen, Wind und Schnee wäre die Tour deutlich härter geworden. So war es konditionell für uns alle „easy“ machbar.
Unvergesslich sind natürlich die Menschen, die wir unterwegs getroffen haben. Alle mit ihren ganz eigenen Geschichten, offen und ehrlich. Genau das macht die Tour besonders: Jeder trägt nicht nur einen Rucksack, sondern auch sein persönliches Päckchen. Und wie gern hätte ich sie alle fotografisch portraitiert, weiter begleitet und ihre Geschichten hier erzählt. Doch ich war darauf nicht vorbereitet, hole sowas aber sicher eines Tages nach (wäre auch ein spannendes Buchprojekt?). Wenn du also jemand suchst, der eine solche Tour in Bild und Text begleitet, dann melde dich gern!
Abschließend geht mein Dank an Robert, der die Tour so perfekt geplant hat. Und natürlich an Dirk und Matti, unsere Wegbegleiter. Es war wirklich eine coole Sache mit euch zu wandern. Wir sehen uns im nächsten Jahr und setzen die Reise fort!
Und auch dir: Danke, dass du meine kleine Reportage bis hierhin gelesen hast. Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, schreib sie mir gern in die Kommentare 🙂
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