»Papa, wir wollen morgen ohne dich frühstücken«, sagt mir meine Tochter in einer sehr bestimmenden Tonlage. Sofort denke ich nach, was ich mit der gewonnenen Freizeit anstellen kann. Fotografieren im Harz! Na logisch. Dann stelle ich den Wecker auf 04:30 Uhr.
Der Harz ist magisch, das mag i(s)ch
Es ist Sonntagmorgen. Alex, ein befreundeter Fotograf aus Halle (Saale), hat sich ebenfalls den Wecker gestellt und begleitet mich heute. Mit dem Wetter haben wir leider Pech. Während es die letzten zwei Wochen im Harz sonnig und schneereich war, ist heute ein extrem grauer Vormittag. Grau wie das Gürteltier: »Reich mal rüber Alex«.
Der Königshütter Wasserfall
Unser erstes Ziel ist der Königshütter Wasserfall. Er liegt direkt an der B 27 (nahe Elbingerode) und wurde im Jahr 1994 künstlich angelegt. Und jetzt stehen wir direkt davor. Der Wasserfall ist stark vereist, genau wie der Boden, in den ich krampfhaft versuche die Heringe reinzujagen.
Aber wozu zelten im Winter, wenn ein paar Kilometer weiter die Eisenbahnromantik ruft. Mein heutiges Zielfoto ist die Brockenbahn aus der Vogelperspektive. Leichter gesagt als getan! Fast 20 Minuten halte ich die Drohne in der Luft – meine Finger spüre ich schon lange nicht mehr – aber es kommt keine Bahn. Typisch.
Nun sehe ich das kleine D im Fahrplan: Verkehrt nur vom 01.02 – 25.02 und 17.03 – 08.04. Heute ist der 05.03; herzlichen Glückwunsch 🙂 VerAIRgert hol ich die Mavic vom Himmel. Die Brockenbahn kommt also erst in einer Stunde.
Zur Himmelspforte
Wir füllen die Zeit und fahren Richtung Braunlage. Auf meiner endlosen Fotoliste steht die evangelische Kirche »Zur Himmelspforte« in Hohegeiß, an der ich schon so oft vorbeigefahren bin. Aber heute liegt Schnee! Ein idealer Kontrast zum betörenden rot der Kirche.
Die Zeit vergeht wie im Flug: Und fliegen ist ein gutes Stichwort. Die Brockenbahn kommt in einer halben Stunde! Das Navi sagt 23 Minuten bis zum Ortsteil Schierke. Das wird knapp.
Die Brockenbahn von oben
Um Zeit zu sparen parken wir direkt an der Bahnhofstraße. Ich bereite die Mavic vor. Dann steht ein Linienbus hinter uns. Und er steht. Und steht. Er macht keine Anstalten an uns vorbeizufahren. Wir blockieren die Fahrbahn um fast 2 cm! Das geht natürlich gar nicht. Das flackernde Licht vom Bus ruft: »verschwindet, ihr elenden Fotografen«. Panisch fahren wir zum Bahnhof Schierke, parken standesgemäß im absoluten Halteverbot (yeah!) und ich schicke die Mavic in the air. Und zack, schießt die Brockenbahn durchs Bild.
Okay, nicht wirklich optimal erwischt. Immer doof mit den eigenen Ansprüchen. Das Foto muss ich im Frühjahr wiederholen. Der Kontrast zum Schnee ist zu gering. In meiner Vorstellung war der Rauch der Brockenbahn grau und nicht weiß. Zudem ist der Wald fast lichter als die Kopfbehaarung von Alex. Oh shit, der war echt gemein. Hoffentlich liest er nicht mit.
Der Elverstein
Wir verlassen Schierke und fahren auf der L100 nach Wernigerode.
Stop Alex! Google Maps zeigt den Elverstein rechts von uns an. Kannst du hier parken?
Kann er nicht. Also fahren wir noch etwa 500 m weiter, bis ein großer Parkplatz erscheint. Wir sind kurz vorm Ortsteil Hasserode und folgen dem Wanderweg in den Wald. Doch nach wenigen Minuten endet er. Wir drehen um und stehen auf einer Lichtung. Der Elverstein liegt direkt über uns. Scheinbar müssen wir da hoch?
Dann sieht uns ein Förster und brüllt uns unhöflich entgegen, was wir hier machen. Wir laufen zu ihm und erklären, dass wir den Elverstein suchen. Sofort wird uns vorgeworfen, dass die Jugend von heute ohne Smartphones und GPS gar nichts mehr findet und wir hier komplett falsch sind. Wir sollen weiter nach Wernigerode reinfahren. Der Sinn erschließt sich mir nicht. Das ist doch die falsche Richtung? Der Elverstein liegt doch hinter uns. Es wird wild diskutiert. Ich zeige mit meiner Hand nach oben und sage: »der Elverstein ist doch da oben, da will ich hin!« Kein Zuspruch, nur weitere Vorwürfe. Es regt mich auf, ich koche! Ich frage den Förster, ob er auf dem Weg von München nach Österreich auch über Hamburg laufen würde. Alex schlichtet die Situation, bevor die Lage eskaliert. Schließlich ist mein Objektiv im Rucksack größer als sein Jagdgewehr!
Dann erklärt uns der Förster den Weg und lässt uns über die Lichtung wandern. Der Aufstieg ist anstrengend. Wie so oft stelle ich mir die Frage, warum mein Rucksack 15 kg schwer sein muss und ob eine Vollformatkamera wirklich Sinn macht. Während Alex mit seiner kleinen Umhängetasche, samt Sony Alpha 6000 genüsslich den Berg raufflitzt.
Nach 45 Minuten kommen wir endlich an, wir haben uns mehrfach verlaufen. Der Blick vom Elverstein entschädigt aber für alles. Kennt ihr den Ausblick? Falls nicht, klickt mal auf die Seite der Harzer Wandernadel. Der Elverstein ist einer der Stempelstellen. Von hier oben wirkt alles wie auf einer Modelleisenbahnplatte. Und gegenüber kommt sogar die Brockenbahn aus dem Tunnel gefahren. Also wenn eine gefahren wäre 🙁
Um die Bahn zu fotografieren reichen übrigens 70 mm (bzw. 50 mm an APS-C) vollkommen aus. Wichtig ist, dass man die Bahn aus Richtung Wernigerode zum Brocken fotografiert. Dann kommt sie aus dem Tunnel rausgefahren.
Die nächste Bahn kommt aber erst 15 Uhr, da muss ich längst zuhause sein. Wir verlassen den Elverstein. Fünf Minuten später hören wir das Tuten der Brockenbahn. Sie kam doch! Der Fahrplan ist mir ein Rätsel oder ich bin unfähig ihn zu lesen.
Fazit
Der Harz und die schwierige Orientierung
Im Harz gibt es nur selten mobiles Internet in brauchbarer Geschwindigkeit. Gleichzeitig ist die Ausschilderung nicht immer optimal, zumindest für eilige Fotografen (siehe Elverstein). Ich habe daher mit der Erstellung einer offline Karte für Smartphones begonnen, die ich euch später bereitstellen werde. Dann braucht ihr kein mobiles Internet.
In meinem geplanten Buch »Fotografieren im Harz« wird es zu jedem Fotospot noch ein Luftbild für die grobe Orientierung geben. Etwa wie hier am Selkefall.
Macht das Sinn für euch? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.
Werde Teil meines Buchprojekts
Viele Spots im Harz sind Fotografen nicht bekannt: Das möchte ich ändern und habe mich bereits im ZIELFOTO-Magazin dafür eingesetzt. Für mein Buchprojekt habe ich weitere 50 Spots »erforscht«, die für Fotografen (oder Menschen mit Liebe zur Natur ohne Instagram-Account) reizvoll sind. Zum Beispiel die Köthener Hütte (Titelfoto), den Blauen See oder die Höhlenwohnungen in Langenstein, die aussehen wie bei Herr der Ringe.
Wenn du mich mal auf einer Fototour durch den Harz begleiten möchtest, dann hast du im Rahmen meines Buchprojekts die Gelegenheit dazu. Ich bin noch viele Wochenenden im Harz unterwegs. Schreib mich einfach an, denn Blogografie verbindet 🙂
11 Kommentare
Die Idee mit dem Luftbild finde ich gut!
Hi Thomas
Ein wirklich Interessanter Blog. Den Harz hab ich letztes Jahr für eine Woche Wanderurlaub kennenlernen dürfen. Wobei ich sicherlich die schönsten Fotospots nicht gesehen habe. Freue mich auf jedenfall auf das Buch! Die Luftbilder würde ich auch sehr gut finden. Dieses Jahr steht wieder Wandern mit Fotografie auf dem Programm. Vielleicht läuft man sich ja über den Weg 😉 Und Handy Empfang ist wirklich mies 🙂
Hallöchen,
erstmal Kompliment zu dem tollen Beitrag bzw. Reisebericht. Die Idee mit den Luftbildern bzw. den Offlinekarten in deinem Zukünftigen Buch finde ich genial. Würde definitiv den Fotografen die den Harz besuchen helfen, da ich das Problem des schlechten Empfang nur bestätigen kann, Braunlage und Umgebung habe ich jedes Jahr im Winterurlaub Handyempfangsprobleme, und das Netz spielt keine Rolle (es gibt mit fast allen Netzen Probleme).
Auf eine Fototour gemeinsam mit Dir hätte ich wirklich Lust, und finde die Idee sehr Klasse. Wäre gerne dabei. Die Ecken und Spots die Du hier preisgibst sind herrlich und echt Faszinierend. Da kribbelt es mir ziemlich in den Händen und ich würde am liebsten mein Equipment schnappen und losfahren, übrigens auch ein leichtes Systemkamera Equipment 😉 !
Aber erstmal geht es in den Osterferien auf die Insel Rügen. Wäre aber cool wenn wir einen Termin für eine Tour in 2018 finden.
Liebe Grüße aus Hamburg
Gruß Andreas
Hallo Andreas,
danke für dein positives Feedback. Ich melde mich mit Terminen für potentielle Harz-Fotosessions, muss erstmal planen.
Erstmal viel Spaß auf Rügen!
Gruß
Thomas
[…] einzulegen. Beim letzten gemeinsamen Besuch mit Thomas war er noch stark vereist. Hier sein Beitrag zu dem Tag im Harz. Heute sollte jedoch alles anders kommen. Nach den grauen Morgenstunden erbarmte […]
Hallo Thomas, klingt wirklich super! Die Idee mit den Luftbildern ist top. Freu mich auf das Buch. 🙂 Viele Grüße, Martin
Hi Thomas,
ich bin auch richtig gerne im Harz unterwegs und würde dich liebend gerne begleiten (ich hoffe, es ist noch nicht zu spät?). Alex rennt übrigens immer die Berge hoch, selbst wenn meine Ausrüstung leichter ist, als seine. Als ich mit ihm auf dem Brocken ankam, war ich total im Arsch und er sah top fit aus ;o) So ist das, wenn man nüscht gewohnt ist xD Ich freue mich übrigens jetzt schon auf dein Buch, denn ich kenne das Problem mit dem Netzempfang zu gut :o)
Viele Liebe Grüße Chrisi
Was für eine schöne Kapelle hast du denn auf dem obersten Bild abgelichtet? In welchem Örtchen findet man sie?
Hallo Thomas,
das ist die Köthener Hütte, nahe Mägdesprung im Selketal. Sie liegt direkt oberhalb vom Selkefall. Von dort aus habe ich sie mit der Drohne fotografiert. Die Köthener Hütte ist übrigens auch eine offizielle Stempelstelle der Harzer-Wandernadel, siehe hier, falls das für dich relevant sein sollte.
Ich wünsche Dir viel Freude im Harz!
Gruß
Thomas
Hallo Thomas,
toller Artikel! Die Köthener Hütte und die Himmelspforte kannte ich noch gar nicht. oO Wenn man nur die Bilder ohne Kontext Harz betrachten würde, könnte man denken, die beiden Fotos sind in Norwegen aufgenommen.
Grüße, Dave
Hallo Dave,
danke, freut mich! Und ja, der Harz ist eine deutlich unterschätzte Region.
Die Ähnlichkeiten zu Norwegen findet man z.B. auch bei der Gustav-Adolf-Stabkirche in Hahnenklee, falls du die kennst.
In Norwegen bin ich trotzdem gern, obwohl wir auf den Lofoten eine Woche Dauerregen hatte :-/
Gruß
Thomas